Ginkgo, Fächertanne
Ginkgo biloba L.
Im Herbst 2011 von Dr. Wilhelm Mair
Mit dem Gedicht Ginkgo biloba schickte J.W. von Goethe 1815 an seine späte Liebe Marianne von Willemer auch Ginkgoblätter: Sie sind für ihn Sinnbild für Liebe und Freundschaft, auch Symbol zweier in inniger Freundschaft verwachsener Seelen. Er machte sich aber auch als Wissenschaftler Gedanken über den Baum.
Ginkgo biloba
Dieses Baumes Blatt, der von Osten
Meinem Garten anvertraut,
Gibt geheimen Sinn zu kosten,
Wie’s den Wissenden erbaut. ….
Der Ginkgobaum ist in vieler Hinsicht eine interessante Baumart. Er gilt in der Botanik als das „lebende Fossil“, denn der Baum, heute der einzige lebende Vertreter der Ordnung Ginkgoales, hatte mit anderen nahe verwandten Formen vor rund 150 Millionen Jahren auf der nördlichen Erdhalbkugel sein Hauptverbreitungsgebiet. Die wesentlichen Merkmale hat der Baum seit 70 Millionen Jahren kaum verändert. Beheimatet ist der Ginkgobaum in China. Eine kleine Wildpopulation soll es im östlichen China noch geben. Er wurde in Asien hauptsächlich in Bergklöstern und Palast- und Tempelgärten als heilige Pflanze kultiviert und verehrt. Alle im Westen seit etwa 1730 angepflanzten Exemplare stammen von Bäumen aus ostasiatischen Tempelgärten ab. Der botanische Name ist auf die chinesischen Schriftzeichen für gin = Silber und kyo = Aprikose zurückzuführen, ein Hinweis auf die silbrig schimmernde Frucht. Die Artbezeichnung biloba weist auf die Zweilappigkeit des Blattes hin.
Der Baum ist einerseits verwandt mit den Nadelbäumen, andererseits ist er in die Nähe der Palmfarngewächse zu stellen. Seine Nadelblätter sind flächig entwickelt, wobei die gabelteiligen Blattnerven vom Stielansatz aus fächerförmig auseinanderstreben. Merkwürdig sind auch die Befruchtungsverhältnisse, wobei die Eizellen von beweglichen männlichen Geschlechtszellen befruchtet werden.
Der Ginkgobaum ist ein sommergrüner, 30-40 m hoher, langsam wachsender Baum mit schlanker, pyramidenförmiger Krone; ältere Bäume können eine ausladende, mächtige Krone bilden. Die graubraune Borke ist längsrissig und breit gefurcht. Eine Besonderheit in der Pflanzenwelt sind die charakteristischen fächerförmigen, breiten Blätter. Sie sind in der Mitte mehr oder weniger stark eingekerbt und deshalb zweilappig. Die Blattform verändert sich je nach der Stellung am Trieb und der Wuchskraft des Baumes, deswegen gleicht kaum ein Ginkgoblatt dem anderen. Die Blätter verfärben sich im Herbst gelb, fallen etwa Anfang November ab und bilden einen goldgelben Teppich. Männliche und weibliche Blüten befinden sich auf verschiedenen Bäumen, wobei die Bäume äußerlich kaum voneinander zu unterscheiden sind. Der Ginkgobaum blüht im Frühjahr und die Bestäubung erfolgt durch den Wind. Der aus den weiblichen Blüten entstehende Samen ähnelt äußerlich einer bereiften, orangegelben Mirabelle an einem langen Stiel. Das verwesende fleischige Gewebe der Samenschale ist bei uns wegen seines üblen Geruches nach ranziger Butter berüchtigt. Der Samenkern hat einen fischartigen Geschmack und ist in China und Japan eine Delikatesse. Das harzfreie, weiche und leichte Holz weist eine feine Textur auf und ähnelt dem der entwicklungsgeschichtlich jüngeren Nadelbäume.
Der Ginkgobaum wird als Alleebaum in Parkanlagen und Gärten gerne gepflanzt, er stellt an den Standort keine besonderen Ansprüche, verträgt das Stadtklima problemlos und ist widerstandsfähig gegenüber Luftverschmutzung. Obwohl die Früchte im Herbst unangenehm riechen, zeigt der Ginkgobaum zum Ausgleich gerade auch im Herbst sein herrlich leuchtend goldgelbes Kleid.