Der Friedhof
Ort der Einkehr, Einsicht und Ehrfurcht
Im Herbst 2014 von Dr. Johannes Ortner
Unsere Stadt Meran birgt einen besonderen Schatz, dem eine besondere Ausstrahlung der Ruhe und des Friedens innewohnt: es sind die Friedhöfe, die Begräbnisstätten unserer Liebsten, heilige Erde.
Neben den katholischen Friedhöfen (Meran, Gratsch, Untermais) haben verschiedene Konfessionen im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ihre Begräbnisstätten in der Kurstadt Meran angelegt: die evangelische an der Marlinger Straße, die jüdische Kultusgemeinde am Stadtfriedhof, die anglikanische sowie russisch-orthodoxe als Abteilung innerhalb des evangelischen Friedhofs. Außerdem bilden die drei Soldatenfriedhöfe ein bleibendes Mahnmal an die Gräuel des 20. Jahrhunderts. Ihre Botschaft ist das memento mori, Bewusstsein unserer eigenen Vergänglichkeit und Hoffnung auf ein Weiterleben, auf ein Wiedersehen. Somit sind Friedhöfe Orte der Einkehr, Einsicht und Ehrfurcht. Die Toten verdienen unseren Respekt – vielleicht nicht nur zu Allerheiligen und Allerseelen.
Doch Friedhöfe sind auch ein Spiegel unserer sich wandelnden Wertvorstellungen (Feuerbestattung und Erdbestattung) und des gesellschaftlichen Wandels. Im ausgehenden 19. Jahrhundert zeigten sich im „Meraner Friedhofsstreit“ besonders deutlich die Gegensätze zwischen liberalen und konservativen Positionen in der aufstrebenden Tiroler Kurstadt am Südbalkon der Monarchie.
In den folgenden Ausgaben des Meraner Stadtanzeigers werden in unregelmäßiger Reihe die einzelnen Friedhöfe vorgestellt, sowohl chronologisch als auch thematisch sowie nach Konfessionen unterteilt (St. Nikolaus, Spitalsfriedhof, Soldatenfriedhöfe, Jüdischer Friedhof, Evangelischer Friedhof samt anglikanischer und russisch-orthodoxer Abteilung, Untermaiser Friedhof).
Den Anfang bildet anlässlich der Feste Allerheiligen und Allerseelen der 1906 eingeweihte heute noch bestehende Städtische Friedhof.
Eine kurze Vorgeschichte
Der 1325 erstmals schriftlich erwähnte Ortsfriedhof rund um die Pfarrkirche St. Nikolaus war schon lange viel zu eng geworden, als der bestehende kleine Friedhof bei der Hl.-Geist-Kirche im Jahre 1848 zum größeren Spitalsfriedhof für Meran erweitert wurde.
Doch auch auf diesem Friedhof, dem heutigen Marconi-Park, wurde es den Toten der katholischen, evangelischen und israelitischen Konfession recht bald ein bisschen zu eng. Der expandierende Kurort und der intensive Villenbau von Mais in den 1880er- und 90er-Jahren führten dazu, dass nur drei Jahrzehnte nach der Errichtung des Spitalsfriedhofs dieser eigentlich wieder mitten in der Stadt lag – zudem lag sein Eingang nun an einer zunehmend belebteren Straße (Herzog-Carl-Theodor-Straße, heute Cavourstraße).
Der Meraner Stadtfriedhof entsteht
Nach endlosen Streitigkeiten, die sich fast 20 Jahre hinzogen, wurde der Spitalsfriedhof aufgelassen und der jetzige Stadtfriedhof aufgrund der Stadtratssitzung vom 30. Mai 1906 auf dem Grund der ehemaligen Algunder Etschwiesen (Nutzenwiese, Korberwiese, Fieglwiese) neu errichtet – westlich vom im selben Jahr errichteten neuen Bahnhof und in Nachbarschaft zu Viehmarkt, Schlachthof und Stadtbahnremise.
Am 27. November 1906 wurde die erste Leiche in die Heilige Erde beim Bahnhof versenkt, nämlich Karl Baumgartner, der „Sunnenwirts-Karl“ vom „Postgasthaus Sonne“ am Rennweg. In der kurzen Zeit zwischen Mai und November 1906 war es natürlich nicht möglich, eine ganze Friedhofsanlage zu bauen, daher blieb der Friedhof bis 1908 ein Provisorium. Mit der Eröffnung der Vinschger Bahn am 1. Juli 1906 wurde das alte Bahnhofsgebäude am Mazziniplatz (damals Habsburger Platz) abgetragen und die St.-Josef-Straße mit Bahnunterführung zum ebenfalls 1906 errichteten Schlachthaus und zum Friedhof fertiggestellt.
In der Gemeinderatssitzung wurde die Ausschreibung für den kommunalen und katholischen Friedhof mit 270.000 Kronen, für die israelitische Abteilung mit 33.000 Kronen veranschlagt – unter der Bedingung, dass der östliche Teil bis 15. November 1907 und die Friedhofskapelle bis 1. Oktober 1908 fertig gestellt werden müssen.
Und tatsächlich, am 19. November 1908 konnte die Leichenkapelle dann zum ersten Mal benutzt werden! Meran war damals – übrigens 18 Jahre nach Bozen – die zweite Stadt Österreich-Ungarns, die den allgemeinen Leichenhauszwang ohne Unterschied einführte. Am 14. Dezember 1908 ertönte zum ersten Mal der Klang des neuen Friedhofsglöckleins. Am 25. Oktober 1909 schließlich wurde die Anlage von Monsignore Dr. Hutter geweiht.