Unsere neuen Schutzbefohlenen – die Singvögel
Im Winter 2024 von Dr. Luis Fuchs
Im Bereich der Tierwelt seien 41 Prozent der Arten Südtirols gefährdet, berichtet Ulrike Tappeiner, die Leiterin des Eurac-Instituts für Alpine Umwelt. Zum alljährlichen Tag des Artenschutzes Anfang März nahm die Wissenschaftlerin zum Thema Artenvielfalt und Biodiversität Stellung.
Schneeglöckchen, Krokusse und Narzissen sind uns willkommene Frühlingsboten; ebenso entzücken uns die Singvögel als Vorboten einer helleren wärmeren Jahreszeit mit ihrem ausdauernden Symphoniekonzert. Um im Trubel des allmorgendlichen Vogelgesangs aufzufallen, stimmen die einzelnen Vogelarten zu verschiedenen Zeiten in das Konzert ein; sie folgen einer regelmäßigen Abfolge der sogenannten „Vogeluhr“. Etwa 80 Minuten vor Sonnenaufgang stimmt der Gartenrotschwanz das morgendliche Konzert an. Das „Roatkröpfl“, ein gern gesehener und gehörter Gast in unseren Gärten, macht mit seinem lieblichen Gesang 50 Minuten vor Sonnenaufgang auf sich aufmerksam. Der Buchfink ist der Spätaufsteher unter seinen Artgenossen, er beginnt erst 10 Minuten vor Sonnenaufgang zu singen.
Statt mit buntem Federkleid fällt die Nachtigall mit ihrem kunstvollen Gesang auf. Mit flötenden und schluchzenden Tönen lässt sie ihre Lieder Tag und Nacht aus dichter Deckung erklingen. Beim Singen ahmt sie auch andere Vögel nach. Beethoven lässt in der 6. Symphonie, auch „Pastorale“ genannt, die Nachtigall neben Kuckuck und Wachtel von einer Flöte ihre Melodie nachahmen. Ornithologen berichten, der begnadete Singvogel beherrsche bis zu 260 unterschiedliche Strophentypen. Diese Vielfalt an Melodien ist Goethe anscheinend entgangen, denn im Gedicht „Die Nachtigall“, von Mendelssohn B. einfühlsam vertont, lässt er sie nur „alte, liebe Lieder“ singen: „Die Nachtigall, sie war entfernt, der Frühling lockt sie wieder, was Neues hat sie nicht gelernt, singt alte, liebe Lieder.“ Der „Nachtigallenweg“ oberhalb Nals ladet feinsinnige Wanderer bei Abenddämmerung zu naturnahem Klangerlebnis ein.
Wo aber sind die faszinierenden Rauchschwalben die letzten Jahre über geblieben? Die geselligen Singvögel sind standorttreu und kehren jedes Jahr zu denselben Nistplätzen zurück. Sie brüten in Gebäuden wie Kuhställen und Scheunen, doch viele Tierställe bleiben geschlossen. Wenn die Schwalben im Frühjahr auf sich warten ließen, waren unsere Eltern besorgt, denn ihr Ausbleiben hätte drohendes Unheil bedeutet. Wann wir Oberschüler zu bestimmtem Anlass das Lied „Aus der Jugendzeit“ von Friedrich Rückert sangen, war ein betagter Professor zu Tränen gerührt: „Was die Schwalbe sang, was die Schwalbe sang, die den Herbst und Frühling bringt; ob das Dorf entlang, ob das Dorf entlang das jetzt noch klingt?“