Personalisierte Medizin im Südtiroler Sanitätsbetrieb

20. Februar 2023

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Italien nimmt regelmäßig Medikamente. Bei manchen Menschen verursachen die medikamentösen Therapien allerdings Nebenwirkungen oder wirken nicht wie erwartet. Eine individuell auf die Person abgestimmte Medikation – Fachbegriff Pharmakogenetik – kann dem entgegenwirken. Ein innovativer Ansatz, der nun auch im Südtiroler Sanitätsbetrieb verfolgt wird.

Im menschlichen Körper ist ein hochkomplexes Enzymsystem dafür verantwortlich, dass Wirkstoffe von Medikamenten im Zuge des Stoffwechselprozesses aufgenommen, umgewandelt und wieder abgebaut werden. Minimale genetisch bedingte Veränderungen dieser Enzyme können die Reaktion auf ein Arzneimittel erheblich beeinflussen und spielen auch in der Bioverfügbarkeit - also wie gut ein Wirkstoff im Körper tatsächlich ankommt - eine wichtige Rolle.

Das ist der Grund, warum das gleiche Medikament bei verschiedenen Personen unterschiedlich gut vertragen wird und unterschiedlich wirkt. „Zahlreiche Medikamente dürfen gemäß ihrer Zulassung erst nach einer pharmakogenetischen Analyse eingesetzt werden. Es gibt eine große Anzahl an Fachgebieten, in denen eine Analyse schon vor der ersten Verabreichung eines Arzneimittels sinnvoll ist oder sogar vorgeschrieben ist“, sagt Markus Paulmichl, Pharmakologe und internationaler Experte für Pharmakogenetik in Salzburg. 

Personalisierte Medikation - der Südtiroler Sanitätsbetrieb als Vorreiter

An den sieben Krankenhäusern des Südtiroler Sanitätsbetriebe wird nun jenen Patienten und Patientinnen pharmakogenetische Analysen angeboten, die bis dato nicht ausreichend auf eine medikamentöse Therapie angesprochen haben oder schwere Nebenwirkungen hatten. Südtirol setzt damit europaweit ein Zeichen für eine personalisierte und patientenzentrierte Medizin, wird es dadurch doch zur ersten Region mit breitem pharmakogenetischen Analyseangebot. Partner bei diesem Projekt ist das Unternehmen PharmGenetix aus Salzburg, welches die Analysen durchführt.

Landeshauptmann und Gesundheitslandesrat Arno Kompatscher: „Die Gesundheitsversorgung ist in Südtirol auf einem hohen Niveau und nahezu täglich fließen neue wissenschaftliche Erkenntnisse in die Arbeit des Gesundheitspersonals ein. Das heute präsentierte Projekt dient dazu, eine optimal auf die Bedürfnisse der einzelnen Patientinnen und Patienten abgestimmte Therapie anbieten zu können, damit Nebenwirkungen so weit als möglich vermieden werden können. Mein besonderer Dank gilt deshalb allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dieses Projekt mit viel Einsatz umgesetzt haben und weiter voranbringen werden“.

Generaldirektor Florian Zerzer: „Vorausschauend handeln und Innovationen voranzutreiben ist auch Teil unserer Aufgabe als Sanitätsbetrieb. Die Medizin entwickelt sich ständig weiter und wir als Betrieb müssen damit Schritt halten - und auch voranschreiten. Davon profitieren nicht nur unsere Patientinnen und Patienten, sondern auch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich in einem innovationsfreudigen Betrieb besser weiterentwickeln können.“

 

Der Schlüssel zur personalisierten Medizin: die pharmakogenetische Analyse

Anhand einer pharmakogenetischen (PGx) Analyse kann festgestellt werden, ob Medikamente für den Patienten oder die Patientin optimal dosiert sind, ob diese sich in ihrer Wirkung beeinflussen und welche Medikamente der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin durch andere aus der gleichen Wirkstoffgruppe ersetzen sollte. Dabei werden genetische Variationen - also Mutationen - von Enzymen unter die Lupe genommen, die am Medikamentenstoffwechsel beteiligt sind. Solche Mutationen liegen bei über 90 Prozent der Bevölkerung vor und bestimmen, wie aktiv diese Enzyme sind. Je nachdem, wie „langsam“ oder „schnell“ diese arbeiten, verlangsamen oder beschleunigen sie die Aufnahme und den Abbau von Medikamenten im Körper. „Wird ein Medikament beispielsweise zu langsam abgebaut, erhöht sich bei regelmäßiger Einnahme die Konzentration des Wirkstoffs im Blut, was zu einer Überdosierung und damit zu Nebenwirkungen führen kann. Wird ein Wirkstoff zu schnell oder gar nicht aufgenommen, wirkt er zu wenig und kann keinen gewünschten Therapieerfolg erzielen“, erklärt Wolfgang Schnitzel, Geschäftsführer der PharmGenetix GmbH, das sogenannte therapeutische Fenster.

Michael Mian, geschäftsführender Primar des Dienstes Innovation, Forschung und Lehre: „Die Pharmakogenetik geht noch einen Schritt weiter als etwa die Gendermedizin. Nicht nur Mann und Frau sind unterschiedlich und müssen deshalb verschieden behandelt werden, sondern jede einzelne Person hat unterschiedliche Voraussetzungen, die eine individuelle Anpassung der Behandlung und Medikation erfordern. Pharmakogenetik stellt den einzelnen Menschen noch mehr in den Mittelpunkt der medizinischen Betreuung.“

Phänotypen als Basis einer maßgeschneiderten Therapie 

Anhand einer PGx-Analyse von PharmGenetix, deren Datenbank über 800 Wirkstoffe umfasst und deren Methode Kombinationen von rund 3.000 Variationen auf mehr als 20 Genen berücksichtigt, wird auch der individuelle Phänotyp auf Basis des Genotypen bestimmt. Dabei wird zwischen dem „Poor Metabolizer“, dem „Intermediären Metabolizer“, dem „normalen Metabolizer“ oder dem „Ultra Rapid Metabolizer“ unterschieden. Der oder die behandelnde Arzt oder Ärztin kann anhand des genetischen Profils entscheiden, ob ein Medikament beibehalten wird, die Dosierung angepasst werden muss oder ein anderes Arzneimittel aus demselben Wirkstoffbereich verschrieben wird. Einmal festgestellt, verändert sich der Genotyp praktischerweise nie wieder. Sonstige Faktoren etwa Rauchen, Ernährung oder vorliegende Erkrankungen können jedoch einen Einfluss auf den Medikamentenstoffwechsel haben.

Genetische Analyse – für wen?

Die Analyse ist im Grunde für jeden Menschen sinnvoll. Sie bringt insbesondere für jene Patientinnen und Patienten, die unter Nebenwirkungen leiden oder bei denen ein Therapieerfolg bisher ausgeblieben ist, wertvolle Erkenntnisse. Sie ist aber auch für alle sinnvoll, die ihren Genotyp vorsorglich testen lassen möchten, um zum Beispiel nach einem Unfall mit dem passenden Medikament versorgt zu werden. Die Einsatzgebiete sind vielfältig: Sei es nach einem Schlaganfall zur Therapie mit dem richtigen Gerinnungshemmer, vor oder während einer Chemo-Therapie, bei chronischen Schmerzen wie Migräne oder psychischen Krankheiten wie Depressionen. So wurde beispielsweise in einer Studie der Zusammenhang zwischen Antidepressiva beziehungsweise Antipsychotika und den Enzymen, die an der Verstoffwechselung beteiligt sind, erforscht. Das Ergebnis zeigte, dass Mutationen in diesen Enzymen vermehrt zu unerwünschten Nebenwirkungen oder ausbleibendem Therapieerfolg führten. 

Personalisierte Medizin: Ausblick und Trends

Aktuell wird viel zu dem Thema der Pharmakogenetik geforscht und es stellt sich die Frage: Wohin kann sich das Feld entwickeln und welche Rolle nimmt die personalisierte Medizin in Zukunft ein? Ziel sollte es jedenfalls sein, eine genetische Analyse als medizinischen Standard weltweit zu etablieren – vor allem bei häufig verschriebenen Medikamenten.

PharmGenetix GmbH 

Die PharmGenetix GmbH mit Sitz in Anif bei Salzburg wurde 2015 als Spin-Off der Universität Salzburg gegründet. Seit Oktober 2019 ist Wolfgang Schnitzel Geschäftsführer des Unternehmens, das in den führenden internationalen Gremien PharmVar und CPIC vertreten ist. Das Laborteam besteht aus internationalen Forschern, die Teil von PharmVar, CPIC & ESPT und weiteren Komitees sind. Das international anerkannte Labor ist mehrfach ISO-zertifiziert und europaweit wissenschaftlich führend in der CYP2D6-Pharmakogenetik.

 


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