Kafka 2024 Meran
Im Frühling 2024 von Eva Pföstl
Am 3. Juni 1924 starb Franz Kafka in einem Sanatorium nahe Wien an Kehlkopftuberkulose. Europaweit wird mit vielen Veranstaltungen, Publikationen und Neuauflagen seiner Werke dieses weltberühmten Schriftstellers gedacht. Von April bis Juni 2024 findet das Kulturprojekt Kafka 2024 Meran/o statt. Wir sprechen darüber mit den Verantwortlichen Veronika Rieder und Patrick Rina.
MS: Herr Rina, wie entstand die Idee, Kafkas Leben und Werk mit einem Veranstaltungszyklus in Meran zu würdigen?
Patrick Rina: 2020 jährte sich zum 100. Mal Kafkas Meran-Aufenthalt, Anlass für unser erstes Projekt und Ausgangspunkt für Kafka24. Es gibt viele „Kafka-Orte“ in Meran und viele Möglichkeiten, ihn als Autor wie als Mensch lebendig werden zu lassen.
MS: Welches Ziel verfolgt die Veranstaltungsreihe Kafka 2024 Meran/o?
Veronika Rieder: Wir wollen Meran als Stadt der Kultur in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken, am Beispiel Kafka das kulturelle Potential der Stadt zeigen und an viele Persönlichkeiten aus Musik, Kunst, Literatur erinnern, die in Meran Erholung und Inspiration fanden. Auch deswegen war es uns ein Anliegen, dass die Meraner Veranstaltungen in das deutsch-tschechische Projekt Kafka 2024 aufgenommen werden.
MS: Was zeichnet Kafkas Aufenthalt von Anfang April bis Ende Juni 1920 in der Kurstadt aus?
V. Rieder: Hier suchte er Linderung seiner tödlichen Krankheit. Sein „äußeres“ Leben bestand in Kuranwendungen: reichlich essen, tägliche Liegezeiten, mäßige Bewegung an der frischen Luft. Innerlich durchlebte er eine sich rasch steigernde leidenschaftliche Liebe auf Distanz zu seiner Übersetzerin Milena Jesenskà.
MS: Am 3. April 1924 wird in Untermais ein Platz eingeweiht, der Franz Kafka und Milena Jesenská gewidmet sein wird. Wie wichtig sind Kafkas Briefe an Milena für Meran?
P. Rina: Sie sind mit den großen Briefromanen J. W. Goethes oder U. Foscolos vergleichbar. Kafka beschreibt in schonungsloser, bohrender Offenheit seine Gefühle und Gedanken: „Du bist das Messer, mit dem ich in mir wühle.“ In Meran begegnet er zum ersten Mal einer Frau, die intellektuell an ihn heranreicht, selbstbewusst und in zunehmendem Maße geistig selbstständig, eine Frau, die auch ihre Gefühlstiefe in Worte fassen kann. Meran war für Kafka der Ort, an dem er ungehemmt von vielen häuslichen und anderen Umständen sich dieser etwas unwirklichen Leidenschaft hingeben konnte.
MS: Kafka starb im Juni 1924 in einem Sanatorium bei Wien. Welche Rolle spielten die Erinnerungen an den Meran-Aufenthalt in den letzten Wochen seines Lebens?
P. Rina: Die Wochen in Meran hinterließen einen tiefen Eindruck. Das zeigen spätere Briefe und Erinnerungen z.B. an das Biertrinken auf den „Gesprächszetteln“ – die TBC hatte auf seinen Kehlkopf übergegriffen, so dass er fast nicht mehr schlucken und nicht sprechen konnte. Der Meraner Aufenthalt war die letzte Phase, in der er weitgehend selbstbestimmt, allein und außerhalb eines Sanatoriums leben konnte.