Flucht aus Afrika und ein neues Zuhause in Meran
Im Frühling 2016 von Angelika Kröll Kofler
Der 38-jährige Jalo Amodo war mit seiner elf Jahre jüngeren Frau Fatima schon einmal vor den Wirren des Bürgerkriegs aus Sierra Leone nach Libyen geflohen. Jahre später flüchteten sie erneut über das Mittelmeer. Der Meraner Stadtanzeiger hat Jalo zur Flucht und zu seinem Leben davor befragt und auch dazu, was sich in den letzten fünf Jahren für die fünfköpfige Familie verändert hat.
Wenn Jalo von seinem Leben zu erzählen beginnt, dann spricht er selbstbewusst und ohne zu zögern. Deutsch spricht Jalo nur wenig, doch auf Italienisch kann er gut kommunizieren. Allerdings färbt er viele Wörter mit seiner afrikanischen Muttersprache, wodurch seinem Gesprächspartner die Verständigung erschwert wird.
2011 hatte sich das Paar mit seinen zwei Kindern auf die Flucht nach Europa begeben. Von den Kämpfen in Libyen vertrieben, fand die Familie eine vorübergehende Unterkunft im Haus Arnika, dem Zweitaufnahmezentrum für Flüchtlinge in der Romstraße. Heute bewohnt Jalo mit seiner Frau und den drei Töchtern Aissatou (9), Binta (7) und Absa (2012 in Südtirol geboren) eine Sozialwohnung in Meran, wo er allerdings nicht länger bleiben darf, und somit auf Wohnungssuche ist. Jalo bezieht finanzielle Sozialhilfe, sofern er selbst keine Arbeit hat, außerdem wird die Familie von Sozialassistenten betreut und von Meraner Bürgern unterstützt.
Schwieriger Start
In Südtirol fühlt er sich ausgesprochen wohl und von den Einheimischen herzlich aufgenommen. Geprägt vom ländlichen Leben in Sierra Leone hoffte Jalo nach seiner Ankunft in Südtirol auf Arbeit in der Landwirtschaft. Er berichtet von der Hilfsbereitschaft eines Meraners - Namen möchte er hier nicht nennen. Zusammen fragten sie auf sieben Höfen um Arbeit an. Vergeblich. Eine zeitweise Anstellung fand er in den vergangenen Jahren als Erntehelfer eines Obstbetriebes und als Zeitungsverkäufer beim Meraner Stadtanzeiger. Auch im weiter entfernt liegenden Sarntal fand Jalo eine saisonale Anstellung auf einer Hochalm. Im vergangenen Jahr erhielt Jalo schließlich eine Saisonstelle bei einer Gärtnerei in Sinich. Für dieses Jahr hofft Jalo, dass es mit der Gärtnerei wieder klappen möge. Seinem früheren Beruf als Lebensmittelverkäufer ging er in Meran übrigens nie nach.
Unsicheres Afrika
Jalo berichtet von den Erlebnissen in Afrika. In Libyen, erzählt er, da sei es ihm und seiner Familie richtig gut gegangen - lange vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011, denn er war schon 2003 mit seiner Frau nach Libyen gekommen. Jalo war in Libyen Teilhaber eines Lebensmittelgeschäfts und konnte ohne Probleme seine Arbeit verrichten. „Ab dem Zeitpunkt, als der Krieg ausbrach, bestimmte nur mehr das Chaos unser Leben,“ sagt er zu den einschneidenden Ereignissen des Bürgerkriegs. „Auf den Straßen war niemand mehr sicher, denn die Polizei hatte man ja aufgelöst. Niemand war da, der für Recht und Ordnung sorgte. Wir hatten eine Wohnung zur Miete. Zur Arbeit zu gehen wurde mir ab Kriegsausbruch unmöglich gemacht und öffentliche Strukturen blieben von nun an geschlossen. Die Bevölkerung war für zwei Wochen sogar dazu angehalten, die Gebäude nicht zu verlassen.“
Neid und Missgunst
Jalo, der selbst sehr große Schwierigkeiten mit dem Schreiben und Rechnen hat, sieht die Hintergründe des Krieges in den sozialen Problemen der libyschen Bevölkerung verwurzelt. Besonders die Jugend Libyens, so Jalo, beabsichtigte, die unbeliebten Gastarbeiter aus dem Land zu schaffen. Außerdem verdächtigten sie die Ausländer, dass sie auf der Seite des Machthabers al-Gaddafi stünden, so Jalo. „Sie raubten, weil sie selber nichts hatten und jederzeit konnte jemand in unsere Wohnung kommen. Es war damals besser, man besaß nichts. Man wusste nicht mehr, wem man vertrauen konnte oder wer ein Dieb war.“