Wir Verantwortungslosen
Im Herbst 2011 von Ulrich Ladurner
Menschen gehen wegen vieler Dinge auf die Straße, um zu demonstrieren. Sie protestieren gegen die Erhöhung des Rentenalters, gegen die Kürzung der Sozialausgaben, gegen steigende Kosten im Gesundheitsbereich und wegen tausend anderer Dinge. Alles Anliegen, für die es sich gewiss zu kämpfen lohnt. Doch noch nie hat es eine Demonstration gegen die Verschuldung des Staates gegeben. Dabei ist sie die größte Gefahr für unsere Gesellschaften. Das erleben wir derzeit in Griechenland, in Spanien, in Portugal und in Italien. Diese Staaten stehen vor dem Bankrott, mit möglicherweise verheerenden Konsequenzen. Massenarbeitslosigkeit ist eine davon.
Bisher haben wir in der Vorstellung gelebt, dass Staaten nicht pleitegehen können. Das war eine Illusion, die Politiker und Bürger gemeinsam nährten. Politiker machten vor Wahlen alle möglichen finanziellen Versprechungen, um gewählt zu werden. Der Schuldenberg wuchs und wuchs. Den Bürger scherte das nicht. Er wählte sehr oft den, der ihm am meisten versprach. Wann ist schon ein Politiker gewählt worden, der eisernes Sparen versprochen hat? Und ist der Staat nicht ein unsinkbares Schiff?
Langsam setzt sich die Einsicht durch, dass das nicht so ist. Das aber bedeutet, dass sich das Verhältnis zwischen Bürger und Politiker ändern muss. Die Politiker dürfen nicht mehr unhaltbare Versprechen machen, die Bürger sollen nicht mehr den wählen, der ihnen das Blaue vom Himmel verspricht. Beide tragen Verantwortung. Die Bürger weisen diese gerne von sich, indem sie die Politiker lauthals kritisieren. Sie seien schuld an der Misere. Sie seien korrupt, verantwortungslos und selbstsüchtig. Doch selbst wenn das stimmte, es stimmt auch, dass wir die Politiker haben, die wir uns verdienen.
Es ist höchste Zeit, dass alle gleichermaßen Verantwortung übernehmen. Das heißt nicht, dass man sich zu Tode sparen soll, doch es heißt, dass man mit dem eigenen Geld umsichtig wirtschaften muss. Unsere Kinder und Kindeskinder werden sonst den Schuldenberg abtragen müssen, den wir angehäuft haben. Wir sind nämlich gerade dabei, ihre Zukunft zu verprassen.