Gebrauchsanweisung für die Gesundheit
Im Sommer 2019 von Dr. Luis Fuchs
Die teuerste Arznei der Welt soll heuer auch in Europa auf den Markt kommen. Zur Behandlung der Erbkrankheit Spinale Muskelatrophie stellt der Schweizer Pharmakonzern Novartis das Medikament „Zolgesma“ her. Eine Einzeldosis kostet knapp 1,9 Millionen Euro, berichtet die Tiroler Tageszeitung. Weil die Gesundheit gemeinhin als das höchste Gut gilt, sind dann exorbitante Kosten von Heilmitteln auch gerechtfertigt?
Unter dem Begriff „Medikament“ verstand man nicht immer nur ein Mittel, das der Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten diente. Im 16. Jh. beispielsweise bedeutete das lateinische „medicamentum“ außer Arzneimittel auch Gift- und Zaubermittel. Der Schwarzen Kunst ganz abgeschworen hat die Pharmazie anscheinend auch heute noch nicht. Es genügt auf den Beipackzetteln über die möglichen Nebenwirkungen zu lesen; da kann sich statt Hoffnung auf Heilung gleich abschreckende Verunsicherung einstellen. So informiert uns der Pharmahersteller eines fiebersenkenden Medikaments über gefährliche Nebenwirkungen wie Herzklopfen, Bluterbrechen, Bewusstseinseintrübung und Veränderungen des Verhaltens. Dies alles, so steht es schwarz auf weiß geschrieben, kann auftreten, wenn wir Tabletten einnehmen, um unsere Gesundheit wieder herzustellen.
„Lesen Sie die gesamte Packungsbeilage sorgfältig durch, bevor Sie mit der Einnahme dieses Arzneimittels beginnen!“ Hand aufs Herz: Welcher Patient liest sich vorab die zum Teil unverständlichen Belehrungen auf dem über einen halben Meter langen Beipackzettel durch? Wenn es gut geht, sucht er nach den Angaben zu der empfohlenen Dosis. Das Schriftstück ist meist in der Art gestaltet, dass es ja nicht gelesen wird: Keine Farbe, keine Grafik, keine Skizze, kein Piktogramm lockern den Schwall an Buchstaben und Ziffern auf. Wer wird es der Mühe wert finden, die winzige, nicht gerade seniorenfreundliche Schrift zu entziffern, so wie wir es meist verabsäumen, das Kleingedruckte am Ende eines Vertrages zu lesen.
Für den Durchschnittspatienten stellt das Medizinerlatein eine weitere Sprach-Barriere dar. Die Pharmahersteller führen ins Feld, die Fachbegriffe müssten den medizinischen Definitionen entsprechen und die Texte juristisch abgesichert sein. Verständnisvollen Apothekern gilt es zu danken, wenn sie die Anwendungsvorschriften deutlich sichtbar auf die Verpackung schreiben.