Wenn sich Friedenstauben ins Gehege kommen
Im Frühling 2024 von Dr. Luis Fuchs
Zur Friedenstaube im Listenzeichen der Grünen in Südtirol gesellt sich neuerdings eine weitere konkurrierende Taube. Der Star-Journalist Michele Santoro kandidiert mit einer eigenen Liste bei den Europawahlen im Juni. Auf seinem Listenzeichen ist auch eine weiße Friedenstaube, zwar auf rotem Hintergrund, abgebildet. Nun befürchten die Grünen, die Wähler könnten dieses wegen der augenscheinlichen Ähnlichkeit verwechseln. Eine offizielle Verwarnung von Seiten der Grünen wurde von Santoro schlichtweg abgewiesen. Die „grüne“ Friedenstaube war bereits in den 80er-Jahren vom Parteigründer Alexander Langer ausgewählt worden; dabei hatte er das Motiv von der „blauen Taube“ Picassos übernommen.
Seit jeher symbolisiert die weiße Taube den Frieden und gilt als eines der bekanntesten Friedenszeichen. In der Genesis des Alten Testaments wird beschrieben, wie Noah nach der Sintflut drei Tauben nacheinander fliegen ließ. Die erste kehrte mit leerem Schnabel zurück, die zweite brachte einen Ölzweig mit und die dritte kam gar nicht wieder. Die Taube mit dem Ölzweig war gewissermaßen die erste Friedenstaube. Der Ölzweig bedeutete für Noah, dass die Flut überstanden, Gott wieder versöhnlich gestimmt war und mit den Menschen Frieden geschlossen hatte. Richtig populär wurde die Taube als Friedenssymbol allerdings nicht wegen Noah, sondern sie geht auf Pablo Picasso zurück. Bereits in seiner Kindheit hatte Picasso eine emotionale Beziehung zu Tauben. Eines seiner frühesten Gemälde „Kind mit Taube“ spricht für seine Sympathie mit den Tieren, die er als schwach und verletzlich hält. Im Jahr 1949 brachte die französische Malerin Francoise Gilot ein Kind zur Welt, dessen Vater Picasso war; das Mädchen wurde „Paloma“ (spanisch für Taube) genannt. Dass sich ausgerechnet die Taube als Friedenssymbol durchsetzte, war purer Zufall. Der französische Schriftsteller Louis Aragon suchte für den ersten Weltfriedenskongress ein Motiv. Beim Blättern in den Grafiken seines Freundes Picasso stieß er auf das Bild einer Taube. Das daraus resultierende Logo wurde dann im Jahr 1949, also vor 75 Jahren, zum Wappen der Friedensbewegung in der ganzen Welt. Für dieses Motiv wurde Picasso im Jahr 1955 mit dem Weltfriedenspreis ausgezeichnet.
In vielen Kulturen gelten die Turteltauben als Sinnbild romantischer Liebe und tiefer Zuneigung zwischen Partnern. Deren Symbolik wird oft in Hochzeitszeremonien integriert. So ist es nicht ungewöhnlich,
Turteltauben-Motive in Hochzeitsdekorationen, Einladungen und auch Eheringen zu finden.