Ein Gespräch mit Franz K., das nie stattgefunden hat
Im Frühling 2024 von Robert Asam
Hier habe ich gewohnt, sagt der dunkelhaarige Mann und zeigt mit einer Hand auf eine schöne Villa aus dem 19. Jahrhundert. Ja, ich weiß, die Ottoburg, sage ich, ist aber lange her. Der Mann nickt und stellt sich vor. Übrigens, ich heiße Franz. Man kennt Sie, antworte ich und frage, gefällt Ihnen Ihr Platz? Unser Platz, sagt Franz und zeigt auf das Schild mit den zwei Namen. Für mich ist er groß genug, lächelt er. Milena hätte vielleicht etwas Größeres verdient. Ein Kleinmotorrad knattert vorbei. Damals war es ruhiger, sagt Herr Franz. Ich frage ihn, wie lange er schon hier sitzt. Nicht lange, aber immer wieder sehr gerne, sagt er. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass der Platz nach Milena und mir benannt worden ist, also hab‘ ich mir gedacht, schau ihn dir wieder einmal an. Das Foto in der Zeitung habe ihm gefallen. Vier Leute hat es gebraucht, um das Straßenschild zu enthüllen. Das waren der Bürgermeister, die Vizebürgermeisterin und zwei Stadträte, sage ich. Ja, ja, lächelt Franz, das habe er sich schon gedacht. Überall dasselbe. Die Leute müssten sich nicht wundern, wenn es in den Rathäusern manchmal länger dauert. Ich nicke zustimmend. Haben Sie auch gehört, dass es mit Milena nicht einfach war, fragt er plötzlich. Milena? Nicht einfach? Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen, sage ich. Franz setzt zu einer längeren Erklärung an. Es geht nicht um meine Beziehung zu Milena, obwohl die auch nicht einfach war, sondern um die Entscheidung der Stadt, den Platz nicht nur nach mir zu benennen. Na ja, versuche ich mich herauszureden, so genau wüsste ich das nicht. Doch Franz bleibt hartnäckig. Es gab Stimmen, die meinten, Milena wäre nie in Meran gewesen, also würde der Bezug fehlen. Meine Briefe an Milena müssten als Meran-Bezug doch genügen. Meinen Sie nicht auch? So gesehen haben Sie recht, sage ich. Herr Franz zeigt mit einem Finger auf das neue Straßenschild. Zum Glück ist es lang genug, sagt er mit einem versöhnlichen Lächeln. Da ist Platz genug für uns beide. Ich überlege, ob Goethe oder Manzoni und wie sie alle heißen, jemals in Meran waren. Wohl eher nicht. Plötzlich steht Herr Franz auf, bedankt sich bei mir für das Gespräch und geht langsam Richtung Ottoburg. Ich schau ihm hinterher. Dann ist er wie vom Erdboden verschluckt. Eigenartig, denke ich, so etwas kann dir nur in einer Kulturstadt passieren.