Ludwig van Beethoven von 1770 bis heute. Die Welt feiert seinen 250ten Geburtstag
Im Winter 2020 von Dr. Ferruccio Delle Cave
Fürst! Was Sie sind, sind Sie durch Zufall und Geburt. Was ich bin, bin ich durch mich! Dieser Satz aus einem Brief Beethovens aus dem Jahr 1802 an den Freund und Förderer Fürst Lichnowsky ist ein beredter Hinweis auf Beethovens Bewusstsein als Künstler und Mensch in einer Zeit, in der am Anfang des 19. Jahrhunderts Musiker und Künstler allgemein sich von den Fesseln und der Protektion der adeligen Welt loszulösen begannen. Gleichermaßen ist der Satz symptomatisch für eine mögliche Erkundung dieser Künstlerpersönlichkeit, deren Musik uns bis heute nicht nur fesselt, sondern auch nach 250 Jahren, seit seiner Geburt am 17. Dezember 1770, immer wieder zum Staunen bringt.
Ist nun dieser Ludwig van Beethoven immer noch ein Mythos als Mensch und Musiker oder eine ganz reelle Persönlichkeit? Seine zahllosen Briefe wie auch seine Lebenszeugnisse – seien es Verträge mit Musikverlegern oder Klavierfabrikanten sowie die Konzertsubskriptionen bis zu seinen berühmten Notizheften, richtige Sudelbücher, in denen Beethoven seit seiner Taubheit alles festhielt, was er seinen Gästen mitzuteilen hatte – sind uns heute zugänglich und geben Zeugnis über ein äußerst aktives Leben, das, wie bei jedem anderen Künstler auch, seine Auf und Ab barg. Allein seine Krankengeschichte füllt Bände und begleitete ihn von seiner Kindheit bis zum Tod am 26. März 1827 in Wien. Das würde auf die oben gestellt Frage auch die Antwort geben: Nein, Beethoven ist kein Mythos, weder als Mensch noch als Künstler, es sei denn, man will ihn unbedingt zu einem Mythos stilisieren, wie es oft als billige Werbeschiene in banaler kommerzieller „Verwertung“ des Abschlusschores seiner Neunten, jenem meist allzu laut herausgeschrienen Freude, schöner Götterfunke, oder dem Albumblatt für Klavier Für Elise, das in seiner Bekanntheit nicht nur das imposante Klavierwerk mit allein 31 Sonaten, das überaus subtile Kammermusikoeuvre mit den 18 Streichquartetten oder das symphonische Werk mit den neun Symphonien, den Liedern und den Chorwerken, darunter die mächtige Missa solemnis, in den Schatten zu stellen droht. Damit sind im Umkehrschluss, bis auf die einzige Oper Fidelio, eben auch seine Hauptwerke genannt, sehr reelle Botschaften einer unglaublich
visionären Kraft der Kunst.
Was kann uns Beethoven heute noch, in dieser verrückten Welt sagen?
Beethoven war klein und untersetzt. Stärke sprach aus dem ganzen Bau seines Körpers. Das Gesicht war breit, ziegelrot, erst gegen sein Lebensende wurde die Gesichtsfarbe kränklich gelb, … die Stirn war mächtig, und zeigte seltsame Höker. Tiefschwarzes, außerordentlich dichtes Haar, durch das scheinbar kein Kamm je einen Weg sich gebahnt hatte, sträubte sich nach allen Seiten. Außergewöhnlich war das Leuchten seiner Augen … Dies die ersten und bis heute gültigen Zeilen aus Romain Rollands epochaler Beethovenbiographie von 1922 und sie führen uns geradewegs in das spannende Geflecht von Leben und Kunst, von menschlicher Physiognomie und Bildnis zu dem, was jeder/jede aus seiner Musik herauszuhören glaubt. Es war ein eigensinniges und stilles Wunderkind, das da 1770 im Provinznest Bonn die Welt erblickte. Er improvisierte rasch am Klavier, mit vierzehn tritt er in die Bonner Hofkapelle ein, spielt Orgel und Bratsche, mit achtzehn muss er die Vormundschaft für seine beiden jüngeren Brüder übernehmen, denn die Mutter stirbt an Schwindsucht und der Vater ist Alkoholiker. Mit Anfang zwanzig übersiedelt er nach Wien, das er bis zu seinem Tode nie mehr verlassen wird. Er wird von Haydn, Salieri und Albrechtsberger unterrichtet, und bald entwickelt sich eine furiose Karriere, zuerst als Klaviervirtuose und Improvisator und später als Komponist und Dirigent seiner Werke. Etwa um 1798 zeigen sich aber erste Symptome jenes Gehörleidens, das schließlich zur völligen Taubheit führen wird. Beethovens Taubheit stellte nicht nur seine Laufbahn als Musiker in Frage, sondern veränderte schlagartig seinen gesellschaftlichen Umgang. Die Krankheit stürzte Beethoven in eine schwere persönliche Krise, die ihn bis zu seinem Ende begleitete.