Kann Südtirol Staat? Und Deutsch?
Im Frühling 2023 von Robert Asam
Das neue Buch ist in aller Munde. Schließlich gibt es uns bzw. den Leserinnen und Lesern „40 Antworten für eine unabhängige Zukunft Südtirols“. So kann man es zumindest im Untertitel lesen. Es steht mir nicht zu, inhaltliche Zweifel anzumelden. Zu prominent ist das Autorenteam. Wissenschaftler, Professoren, Fach- und Sachkundige ohne Ende haben mitgearbeitet. Wir wissen doch, dass Südtirol alles kann, und das allermeiste davon viel besser als alle anderen. Aber gut, ein letzter Rest von Bescheidenheit gebietet es, ein so komplexes Thema als Frage anzubieten. Abgesehen davon, wäre „Südtirol kann Staat!“ sprachlich genauso verstümmelt wie „Kann Südtirol Staat?“. Vielleicht sollte man etwas ganz anderes fragen: Kann Südtirol Deutsch? Aber um diese Frage zu beantworten, hätte man nicht zwei Dutzend Wissenschaftler beschäftigen müssen. Und es braucht auch keine 40 Antworten. Es genügt ein einfaches Nein. Der Landesverband der Handwerker verstieg sich kürzlich zu der Behauptung „Wir alle sind Handwerk“. Natürlich klingt das gut, auch wenn es sprachlich absoluter Blödsinn ist. Man hätte behaupten können, dass wir alle Handwerker sind. Aber das wäre dann wohl auf Widerstand gestoßen: Ich? Handwerker? Nicht dass ich wüsste.
Eingebrockt hat uns das alles die BILD-Zeitung mit jener denkwürdigen Schlagzeile „Wir sind Papst!“. Seither erfreuen wir uns am Verkürzen, um nicht zu sagen am Amputieren. Nicht nur wir, auch andere. Ein Hotel am Tegernsee heißt kurz und bündig „Das Tegernsee“. Wir müssen nachziehen. Neulich habe ich in der Nähe von Meran das Stachelburg gesehen. Also nicht die Stachelburg, sondern „Das Stachelburg“. Natürlich auch ein Hotel. Vielleicht sollten wir nur noch dem Neutrum den Vorzug geben. Das ist genderneutral und erspart uns Sternchen, Doppelpunkt, Binnen-I und was wir sonst noch alles erfinden müssen, damit sich alle angesprochen fühlen. Die englische Sprache kommt schließlich auch mit nur einem Artikel aus und hat trotzdem die Weltherrschaft übernommen. „The Tegernsee“ und „The Stachelburg“ wäre tatsächlich noch geiler. Und bekanntlich sparen wir uns mit dem Englischen lästige Übersetzungen. So gesehen können sogar sprachlich zweifelhafte Marotten und Modeerscheinungen noch einen positiven Nebeneffekt haben. Deshalb hier eine Frage für die Zukunft: Kann Südtirol Schule? Das Antwort überlasse ich Sie.