Elisabeth Oberrauch
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen im Atelier und in der Werkstatt
Im Winter 2020 von Eva Pföstl
Es kann fast nicht sein, dass man in Südtirol noch nie einer Arbeit von Elisabeth Oberrauch begegnet ist. Viele ihrer Werke befinden sich in Privatbesitz, aber auch öffentliche Einrichtungen besitzen von ihr Kunstinstallationen, so etwa das Altersheim von Schenna, das Altersheim Völs, die Villa Eden in Obermais, die Arztpraxis in der Sparkassenstraße in Meran, die Bibliothek der Grundschule St. Walburg/Ulten u.a. Die Werke sollen, so Elisabeth Oberrauch, Denkanstöße geben und in den Dialog mit dem Betrachter treten. Auch in der zeitgenössischen Kunstszene sind ihre Arbeiten etabliert und werden vielerorts bestaunt, so auch bei zahlreichen Ausstellungen in Südtirol, Italien, Japan, Österreich, Deutschland, Südkorea und in der Schweiz.
Es ist die Natur, es ist der Mensch in ihr, es sind Flora und Fauna, die Elisabeth Oberrauch immer wieder beschäftigen – und ihre künstlerischen Einfälle befeuern.
Papier ist ihr bevorzugter Werkstoff, mit dem sie mittlerweile weltweit Anerkennung erlangt hat. „Die Natur ist kostbar“, betont die Künstlerin, „sie ist außerordentlich und sie bringt einzigartige Formen hervor. Um diese künstlerisch zu verarbeiten, arbeite ich mit einem ebensolchen natürlichen Stoff, dem Papier.“ Das Papier, meisterhaft verarbeitet von der Künstlerin, verleiht ihren vielseitigen Arbeiten einerseits Eleganz und Materie, andererseits eine außerordentliche Leichtigkeit und genau darin liegt die Anziehungskraft oder besser noch die Magie ihrer Kunst.
Ihre Botschaften kommen an, sie nehmen die Direttissima in die Seele des Betrachters. Sie ist eine Erzähl-Malerin, der der Stoff nicht ausgeht, weil sie es versteht, die Vorbilder ihrer Inspiration nicht zu instrumentalisieren, sondern sich kraftvoll anzuverwandeln, in ihren eigenen Stil zu überführen: Sie erschafft Neues.
Unterwegs mit Skizzenbuch und Farbe
Die Besonderheit von Elisabeth Oberrauchs künstlerischem Schaffen ist eng mit ihren handgemachten Reisebüchern verbunden. Skandinavien war das erste Reisebuch – Antarktis das letzte. Dazwischen liegen Amerika, Marokko, Indien, Jemen, Japan, Südkorea, die Türkei und viele andere mehr. Alle ihre Reisebücher erzählen Geschichten, sind Ausdruck von großem handwerklichem Können und künstlerischer Sensibilität. Jedes Reisebuch hat seinen unverwechselbaren Stil und einen eigenen Reiz. Gemeinsam ist all den Reisebüchern ein langwieriger und aufwändiger Arbeitsprozess: Dieser beginnt bereits vor der Reise mit der Auswahl des passenden Einbandes und des Papiers. „Die Einbände sind wichtig, sie sind der Umschlag meines Buches und man muss sie fühlen können, denn sie sind Teil des Ganzen“, erklärt die Künstlerin. So hat sie das Reisebuch Jemen in einen alten Damaststoff gehüllt, Island in einen abgegriffenen Matratzenstoff, Nordafrika erscheint in Lehm, farbig und blumig präsentiert sich Indien, Rot ist die Farbe Afrikas, Türkis jene von Asien und für die Antarktis hat sie einen ganz speziellen weißen Seidenstoff ausgewählt, verziert mit kleinen, schwarzen Stickereien – stellvertretend für die Flechten und die Mini-Flora der Antarktis.
Elisabeth Oberrauch hat das Buchbinden von der Pike auf gelernt und kann stolz auf eine langjährige Erfahrung zurückblicken. Gelernt hat sie es an der „Scuola Internationale di Grafica“ in Venedig und mittlerweile kennt sie viele Geheimnisse der Buchbinder und vor allem die Bedeutung der Buchgestaltung. Das Papier schöpft Elisabeth Oberrauch selber – in einem aufwändigen Verfahren, das viel handwerkliches Können, Disziplin, Aufwand und Mühe verlangt. Auf ihren Reisen und anlässlich der IAPMA Papier- Kongresse, an denen sie bislang viermal teilgenommen hat, erwirbt sie außerdem besondere Papiere.
Der schöpferische Prozess auf der Reise selbst ist dann stets ein Schauen, Erkennen und Verinnerlichen. Das konstruierend-entwerfende Sehen ist zweifach: Gehirn und Auge müssen sich gegenseitig unterstützen. „Zuerst betrete ich ein Land, schaue, erlebe, rieche und am Ende habe ich die Orte und Augenblicke in meinem Inneren gespeichert und kann sie jederzeit abrufen“, erklärt sie nachdenklich. Durch diesen künstlerischen Gestaltungsprozess sieht man in den Reisebüchern keine Postkartenmotive, sondern nur impressionistisch anmutende Orte, Landschaften und Facetten, die für die Künstlerin von Bedeutung sind. Manche ihrer Reisebücher enthalten transparente Taschen, welche Kleinodien der Reise verwahren, andere sind Passepartoutbücher, aus denen man die Bilder entnehmen kann.
Die Künstlerin malt nicht, um ‚sich auszudrücken‘, sondern sie will isolieren, festhalten, zeigen, verinnerlichen und nachvollziehen.
In ihrem letzten Antarktis-Buch geht es ihr besonders um die Natur und die Schönheit unserer Erde, wie sie sie erlebt oder empfindet, aber es geht nicht um ihr Erleben oder ihr Empfinden, sondern um die Dinge der Welt. Jedes ihrer Bilder gibt Zeugnis von etwas Bestimmtem, ist Beleg eines Vorgangs. Es ist die Suche nach Spuren von Ereignissen, die die Natur selbst zeichnet. Die Wahl ihrer Motive erfolgt instinktiv, die Wiedergabe erfordert Zeit. Das ist es auch, was sie sich auf ihren Reisen wünscht: Zeit zum Innehalten und zum Verweilen. „Das Wichtigste für mich ist es, die Sinne zu schärfen, auszuwählen und die Atmosphäre eines Ortes einzusaugen“, erklärt sie.
Elisabeth Oberrauch ist kein Mensch, der den Zeigefinger erhebt und sich dozierend vor die Menschen stellt. Sie will niemanden belehren, dass die Natur für alle und jeden wichtig ist. Sie denkt und fühlt das zwar, aber sie würde nie laut werden. Elisabeth Oberrauch engagiert sich dennoch für Natur und Umwelt. Nur leiser und zartfühlender. So organisiert sie seit 2005 das „Klang Farben Atelier” im Anwesen ihrer Familie in St. Konstantin bei Völs, das für die Künstlerin ein wichtiger Ort der Inspiration und Schaffenskraft geworden ist. Hier begegnen sich schöpferische Menschen in einem neuen Licht: Landschaft, Ambiente und Farben verändern den Blick. Mehr als hundert Künstler aus den unterschiedlichsten kreativen Bereichen haben bislang an den Projektwochen in der Familienvilla teilgenommen. Aber auch für Neugierige und Kunstliebhaber öffnen die Oberrauchs Tür und Tor. Im Jahre 2006 wurde in dem Wald der Villa ein Weg angelegt und im Laufe der darauffolgenden Jahre entstanden mehr als 15 Naturskulpturen. Diese wurden von verschiedenen Künstlern mit Materialen des Ortes realisiert und Elisabeth Oberrauch führt Interessierte während der Ausstellungswoche durch diesen Naturpfad.
Heuer findet am 8. August die Eröffnung des Klang Farben Ateliers 2020 mit einer musikalischen Uraufführung von Hannes Kerschbaumer statt.