Frauenpower auf dem Bauernhof
Im Sommer 2017 von Eva Pföstl
Die Geschichte unseres Landes ist voll von starken Frauengestalten. Am bekanntesten ist wohl die zu Unrecht als hässliche Herzogin titulierte letzte Gräfin und Herrscherin aus dem Geschlecht der Grafen von Tirol, Margarete Maultasch (1318 – 1369). Bereits mit zwölf Jahren wurde sie mit Johann Heinrich, dem Bruder des späteren Kaisers Karl IV. von Böhmen, vermählt, den sie 1341 vertrieb. 1342 heiratete sie in Meran den Sohn des Kaisers, Ludwig I. von Brandenburg. Eine Zivilehe zwischen zwei Verwandten dritten Grades, die mit dem Bann und einem Edikt bestraft wurde, welche erst 1359 aufgehoben wurden. Nach dem Tod ihres Mannes 1361 regierte die mächtige Gräfin mit dem unangepassten Lebenswandel alleine. Als 1363 auch ihr Sohn Meinhard III verstarb, übergab sie die Regierungsgewalt dem Habsburger Rudolf IV. und zog sich nach Wien zurück, wo sie 1369 starb.
Unser Land ist auch heute noch ein guter Boden für echte Powerfrauen. Den Beweis liefern zwei junge Bäuerinnen, die wir hier stellvertretend für die vielfältige Südtiroler Realität präsentieren. Beide haben mit Leidenschaft und Energie ihre Ideen verwirklicht. Heute „Bäuerin zu sein“ auf einem modernen, landwirtschaftlichen Hof geht weit über die klassischen Rollenbilder von Bauer und Bäuerin hinaus. Wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen weichen traditionelle Rollenvorstellungen sowie die Arbeitsteilung in Familie und Betrieb auf. Bäuerinnen sind häufig die gestaltende Kraft am Hof, leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Erwerbseinkommen und geben damit den landwirtschaftlichen Betrieben Zukunft. Frauen, wie Priska Etzthaler Weger und Sieglinde Illmer Dosser, suchen sich ihre eigenen Nischen und Erwerbszweige – ohne die Höfe zu verlassen. Im Gegenteil: Diese modernen und selbstbewussten Frauen schaffen mit ihrem Erfindungsreichtum Einkommensalternativen für den landwirtschaftlichen Betrieb und helfen, die Existenz der Höfe zu sichern. Beide sind ein Beispiel dafür, dass das Miteinander von Mann und Frau entscheidend ist für den Erhalt und die gesunde Weiterentwicklung des Betriebes, was von Vorstandsebenen vieler „moderner“ Unternehmen nicht behauptet werden kann.
Priska Etzthaler Weger wurde 2011 als „Bäuerin des Jahres“ ausgezeichnet und Sieglinde Illmer Dosser wurde kürzlich zur „Landesbäuerin” gekürt. Beide erhielten die Auszeichnung für ihr aktives, innovatives und vorbildliches Engagement in der Landwirtschaft. Erstaunlicherweise kommen beide aus Schenna, einer Tourismushochburg par excellence: eine vom Oberhaslerhof am Eingang des Dorfes, die andere vom Boarbichl in Obertall, quasi am Ende des Dorfes. Ob dies ein Zufall ist?
Priska Etzthaler Weger, die Kräuterbäuerin vom Oberhaslerhof in Schenna
Ihr Wissen über und ihr Engagement für heimische Heil- und Gewürzpflanzen haben sie über Südtirol hinaus bekannt gemacht. Die fesche Bäuerin des denkmalgeschützten Erbhofes mit eigener Kellerei, der sich seit 1592 in Familienbesitz befindet, ist gelernte Kräuterpädagogin, hat eine Kneipp-Ausbildung, Kurse zur Saatgewinnung und viele andere Weiterbildungen im In-und Ausland absolviert, die sich alle irgendwie um das gesunde Leben in und mit der Natur drehen. Wir treffen Priska zusammen mit der Präsidentin des Vereins „Sorten Garten Südtirol“, eines Vereins, der sich seit dem Jahre 2000 dafür einsetzt, Alt-und Lokalsorten und deren Kultur zu erhalten. Beide Frauen unterstreichen die Rückbesinnung auf altes, überliefertes Wissen und die Wichtigkeit des Erhaltes des Wissens um beinahe vergessene Gemüse-, Obst- oder Kräutersorten. Priska hat die Liebe zur Natur von ihren Eltern und Großeltern mitbekommen. „Meine Großmutter und meine Mutter wussten viel über Kräuter und Heilpflanzen. Sie erzählten auch von den Bräuchen im Jahreskreislauf. Diese alten Geschichten haben mir schon immer gefallen“, erzählt Priska lachend. So fand Priska ihre Nische in ihrem hundertjährigen Bauerngarten. Mehr als hundert Kräuter und Heilpflanzen wachsen dort mittlerweile, außerdem fast vergessene lokale Gemüsesorten wie etwa Haferwurz, Gartenmelde oder Erdmandeln. Alle Beete sind symmetrisch liebevoll mit Buchsrabatten eingefriedet und ein Gewächshaus gibt es mittlerweile auch, wo Priska 30 verschiedene Sorten Tomaten züchtet. „Mindestens eine Stunde pro Tag verbringe ich mit der Gartenarbeit“, erklärt sie, „zum Glück hilft mir meine Schwiegermutter, die diese Arbeit auch sehr liebt”.
Ihr Wissen gibt sie bei Hofführungen und Wildkräuterwanderungen, Seminaren und Kochkursen mit Enthusiasmus an Feriengäste und Einheimische weiter. Auch die Spitzengastronomie interessiert sich mittlerweile für ihre Alt- und Lokalsorten: „Die Steckwurzen oder der Knollenzist, das sind ganz tolle Gemüse, und Spitzenköche fragen immer wieder danach“, erzählt sie. Viel Aufklärungsarbeit ist allerdings noch für Laien zu leisten. Das gilt auch für so manches, woran man am Wegesrand achtlos vorübergeht. Und das galt auch für Priskas Mann Klaus. „Der war mein härtester Brocken, schwer zu überzeugen“, sagt sie und lacht. Aber seit einem schweren Skiunfall vor einigen Jahren ist auch er überzeugt, dass Kräuter helfen.
Priska ist ein Beispiel für viele junge, selbstbewusste Frauen, die mit ihrem Erfindungsreichtum nicht selten auch zur Existenzsicherung eines Hofes beitragen. „Wenn man einen Bauern heiratet, heiratet man nicht nur den Mann, sondern den Hof und die ganze Familie“, erklärt Priska. Selbstverwirklichung war noch vor einer Generation eine unbekannte Vokabel. „Meine Familie hat mich anfangs auch belächelt: Du mit deinen Stangen“, hieß es, „aber mein Mann ließ mich gewähren“. Seit einem Jahr hat die Landwirtin auch einen eigenen Hofladen, in dem sie verschiedene Delikatessen wie eingelegtes Gemüse, Rosensirup, Gewürzmischungen und verschiedene Pestosaucen verkauft. „75 % aller Zutaten stammen aus der Region, 50 % kommen aus der eigenen Produktion“, erklärt sie voller Stolz. Die größte Freude bereitet Priska allerdings, dass sich mittlerweile auch einer ihrer Söhne für „ihre Kräuter” interessiert und sich eifrig engagiert.