Die fünfte Jahreszeit: Winter ohne Schnee
Im Winter 2019 von Dr. Luis Fuchs
„Heißzeit“ ist von der „Gesellschaft für deutsche Sprache“ zum Wort des Jahres 2018 gekürt worden. Der Ausdruck bezieht sich auf den extrem warmen Sommer und verweist zudem auf den Klimawandel. Das vorgesetzte „H“ verleiht der „Eiszeit“ eine zusätzliche neue Bedeutung.
Im „Klimareport Südtirol 2018“ liefert das Forschungszentrum Eurac Research hierzu einschlägige Daten. Seit den 1960er-Jahren ist die Jahresdurchschnittstemperatur um 1,5 Grad angestiegen; im Sommer ist es in Bozen und Brixen sogar um drei Grad wärmer geworden. Äpfel werden demzufolge bis auf 1.000 Meter Meereshöhe gewerbsmäßig angebaut und der Weinbau ist in günstigeren Lagen bereits auf 1.200 Metern angekommen. Den Schätzungen der Eurac zufolge wird im Jahr 2100 auf 1.500 Metern 80 – 90 % weniger Schnee fallen. Spätestens dann wird nur mehr in Chroniken vom „Anno Schnee“ zu lesen sein, als die Kinder in unseren Breitengraden noch im Tiefschnee herumtollten.
Die Frau Holle hat sich still und leise in ihr Märchenreich zurückgezogen. Naturschnee braucht es ja nur mehr zum Aufhübschen der Landschaft. Dank der Technik wissen sich die Touristiker zu helfen. Im Jahre 2015 haben knapp 3.600 Schneekanonen bei einem Wasserverbrauch von sieben Millionen Kubikmeter fast zur Gänze Südtirols Pisten beschneit. Allerdings hat der „technische Schnee“ seinen Preis. Norbert Lantschner legt im AVS-Magazin „Erleben“ den Aufwand offen: Eine Stunde Komplettbeschneiung am Kronplatz kostet 50.000 Euro.
Bei idealer Temperatur und Feuchtigkeit kommen die Schneekanonen bereits ab Oktober zum Einsatz. Also ist es gar nicht „Schnee von gestern“, sondern vom vergangenen Jahr. „Anni nives praeteriti“ lautete ursprünglich die lateinische Wendung, also „Schnee des vorübergegangenen Jahres“.