Afghanistan ade
Im Sommer 2011 von Ulrich Ladurner
Der Einsatz des Westens in Afghanistan geht zu Ende. Bis 2014 sollen so gut wie alle Soldaten das Land verlassen haben. Das ist eine gute Nachricht.
Afghanistan ist nämlich nicht zu gewinnen. Das liegt nicht an den Afghanen. Sie sind nicht unbesiegbar, noch sind sie durch die Bank kriegerisch. Es liegt an der Lage des Landes. Afghanistan war immer ein Spielplatz verschiedener Mächte. Ein Schachbrett, auf dem sie ihren Kampf stellvertretend geführt haben. Die Afghanen sind dabei nichts weiter als Figuren. In der gesamten Geschichte des Landes haben sich immer äußere Mächte eingemischt. Im 19. Jahrhundert waren es das britische Empire und das zaristische Russland, im zwanzigsten waren es die Sowjets und die Amerikaner, im 21. Jahrhundert waren es die Nato, die Iraner, die Pakistaner und die Inder – um nur die wichtigsten aufzuzählen. Eines blieb immer gleich: Afghanistan konnte aus eigener Kraft diesen Einfluss von außen niemals abwehren. Der Staat ist zu schwach dafür. Noch keine Regierung des modernen Afghanistan konnte genügend Einnahmen generieren, um sich starke Institutionen zu leisten – eine Armee und eine Polizei zum Beispiel. Jede Regierung war auf Hilfe von außen angewiesen. Doch diese Hilfe war niemals eigennützig.
Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Und das bedeutet, dass Afghanistan auch nach einem Abzug westlicher Truppen ein Tummelplatz verschiedener Interessen sein wird. Iraner, Pakistaner, Inder, Russen, Amerikaner – sie alle werden sich dort Einfluss sichern wollen und dementsprechend ihre Klienten suchen. In Afghanistan wird sich die Lage der internationalen Politik getreu widerspiegeln.
Das kann wieder zu einem Bürgerkrieg führen, wie ihn die Afghanen schon in den achtziger Jahren erleben mussten. Doch das ist nicht zwangsläufig. Die beste Hoffnung für die Afghanen ist, dass sich die äußeren Mächte gegenseitig die Waage halten. Es ist gut möglich, dass Mächte zusammen unausgesprochen den kleinsten gemeinsamen Nenner finden. Der könnte darin bestehen, dass dieses Land kein Hort für islamischen Extremismus sein darf. Denn der Extremismus würde alle Nachbarn – und nicht nur sie - bedrohen. Friede und Fortschritt für alle Afghanen würde das nicht unbedingt bedeuten, aber immerhin wäre die große Mehrheit von einem verheerenden Krieg verschont. Das ist immerhin schon etwas.