Mehrere Lösungsrezepte zur Zweisprachigkeit
Im Sommer 2017 von Philipp Rossi
Werner Mair ist seit 2016 Direktor der Wirtschaftsoberschule Franz Kafka. Im Gespräch mit dem Meraner Stadtanzeiger erklärt der erfahrene Schulleiter die Ursachen der „Baustelle Zweitsprache“ und geht die Lösungsrezepte durch, die seine Schule anwendet, damit die Schüler durch die Mehrsprachigkeit auch international bestens aufgestellt sind.
Meraner Stadtanzeiger: Herr Direktor Mair, wie gut sprechen die Südtiroler Schüler die Zweitsprache?
Werner Mair: Die vor wenigen Wochen veröffentlichte KOLIPSI-Studie hat dem Südtiroler Schulsystem auf der Grundlage objektivierbarer und nachvollziehbarer Kriterien eine Note vergeben, auf die wir nicht besonders stolz sein dürfen. Dies ist eine Tatsache, die es nicht schönzureden gilt.
MS: Haben Sie die Ergebnisse überrascht?
Werner Mair: Im Grunde genommen nicht. Als Prüfungspräsident der Maturakommissionen durfte ich mir in den vergangenen Jahren ein gutes Bild der Leistungsniveaus der (deutschsprachigen) Schüler in den verschiedenen Landesteilen machen. In den größeren Ballungszentren, etwa Bozen und Meran, in denen die Zweisprachigkeit nicht nur gelehrt, sondern tatsächlich gelebt wird, legen die Schüler sehr gute Sprachkenntnisse an den Tag, zumal sie außerschulisch die Möglichkeit haben, die Zweitsprache zu sprechen. In allen anderen Gebieten sind die Zweitsprachenkenntnisse dagegen sehr bescheiden.
MS: Wie kann man diese bildungspolitische Baustelle seriös und lösungsorientiert angehen?
Werner Mair: Die Zweisprachigkeit, die lange in Vergessenheit geraten war, ist in den letzten Jahren, maßgeblich durch das Interesse der Politik, zum Thema geworden. Als Wirtschaftsschule arbeiten wir in erster Linie an der sogenannten „funktionalen Mehrsprachigkeit“. In einem europäischen bzw. globalen Kontext ist es unausweichlich, neben exzellenten Deutschkenntnissen sowie soliden Italienischkenntnissen auch noch über ordentliche Englischkenntnisse zu verfügen. Das Ziel soll ein lebenslanges Lernen sein, und wir können als Schule eine fruchtbare Grundlage dazu liefern.
MS: Was kann die Schule konkret unternehmen, um die Sprachkenntnisse der Schüler zu verbessern?
Werner Mair: Die Schule ist nach wie vor der beste Ort für strukturiertes Lernen. Grundsätzlich bedarf es eines positiven Klimas und einer konstruktiven Einstellung zur Zweitsprache, damit die Schüler deren Wichtigkeit begreifen können. Die Basis und der Kern für ein erfolgreiches Lernen bildet zweifelsohne der gute Unterricht; unsere Lehrkräfte wenden immer mehr die sog. englische Didaktik bzw. Weltdidaktik an. Der mündliche Bestandteil der Sprache liegt im Vordergrund, der Kontext, in dem die Sprache angewandt wird, entstammt der alltäglichen Wirklichkeit der Schüler, Grammatik und Wortschatz stehen nicht allein im Raum, sondern werden stets mit dienender Struktur und Funktion gelehrt. Wichtig ist ebenfalls, dass die Schüler Fehler machen dürfen, damit sie den Mut haben, ihre sprachlichen Fähigkeiten auszuprobieren.
MS: Muss jede Sprache für sich allein unterrichtet werden?
Werner Mair: Nein, im Sinne der „funktionalen Mehrsprachigkeit” arbeiten wir an der sog. „integrierten Sprachdidaktik“. Es gibt mehrere Projekte, die eine Zusammenarbeit der Deutsch-, Italienisch- und Englischlehrer vorsehen, damit gemeinsame Sprachstrukturen erfasst werden und auf diese Weise ein Mehrwert für die Schüler entsteht.