Meran hat neuen Diakon
Ivan Wegleiter
Im Winter 2023 von Veronika Rieder
Ein Weg mit Umwegen
„Meine Weihe zum Diakon war eine Gnade und ein Geschenk Gottes!“ Mit diesen Worten blickt Ivan Wegleiter auf die Weihe zum ständigen Diakon zurück, die am Stefanstag im Brixner Dom stattfand. Während der schönen Feier war er ziemlich aufgeregt, aber sehr glücklich. Dieses Glück strahlt auch während unseres Gesprächs aus seinen Augen. Bis zur Weihe war es allerdings ein längerer Weg, mit einigen Verzögerungen und kleinen Umwegen.
„Meine erste Berufung war die pädagogische“, erklärt Wegleiter. Doch auch zu dieser gelangte er nicht direkt. Nach der Grund- und Mittelschule in Meran besuchte er die fünfjährige Kunstschule in Trient. Gleichzeitig mit der abgeschlossenen Ausbildung zum Goldschmied legte er dort auch die Matura ab. Statt aber in den Familienbetrieb einzusteigen, entschied er sich zunächst für das Studium der Kunstgeschichte in Innsbruck. Noch während des Studiums unterrichtete er Kunst und Religion. Im Umgang mit Kindern und Jugendlichen ging sozusagen die Saat auf, welche die Salesianer ausgebracht hatten. In seiner Oberschulzeit in Trient hatte Ivan Wegleiter nämlich in einem von diesem Orden geführten Heim gelebt. Ihr Gründer, der Priester Don Giovanni Bosco (1815-1888), hatte wegweisende Ansätze in der Jugendseelsorge entwickelt und den Männer- und Frauenor den der Salesianer sowie eine Laienorganisation ins Leben gerufen. Zu seinen Erziehungsgrundsätzen gehörten ein hilfsbereiter, friedvoller Umgang, Solidarität, gegenseitige Achtung, Zusammenarbeit und Vertrauen. Wegleiter war (und ist immer noch) sehr beeindruckt davon und entschloss sich schließlich, in der Jugendarbeit tätig zu werden. Er trat bei den Salesianern in Mogliano Veneto ein und begann in Venedig mit dem Theologiestudium, erkannte aber, dass das Ordensleben doch nicht der richtige Weg für ihn war. Das Wohlwollen der Salesianer begleitet ihn trotzdem bis heute. Sehr viele Ordensangehörige waren bei seiner Weihe auch zugegen. „Fast ein Salesianer-Treffen“, erinnert sich Ivan Wegleiter lächelnd. Der Gedanke, Diakon zu werden, entwickelte sich allmählich und schrittweise: „Das ist meine zweite Berufung, aber beide Berufungen sind gleich wichtig für mein Leben.“ Seinen Beruf als Lehrer kann und will er nicht aufgeben. Einerseits liebt er die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, was durch viele Erfolge belohnt wird, anderseits ist das Diakonat ein reines Ehrenamt.
Welche Aufgaben warten auf unseren neuen Diakon?
Ivan Wegleiter ist seit langem in der Pfarre St. Nikolaus tätig, u.a. als Präsident des Pfarrgemeinderates. Neue Tätigkeiten kommen also nicht viele auf ihn zu, auch weil ihm als Lehrkraft in Vollzeit schlicht und einfach die Zeit fehlt. Die Zusammenarbeit mit dem Diakon Walter Depaoli ist gut, schließlich sind sie alte Bekannte. Diakone bilden ein Bindeglied zwischen Priester und Kirchengemeinde. Ein Geistlicher betreut nur auf Zeit eine Pfarre, dann wird er wieder versetzt. Der Diakon hingegen ist ständig in derselben Pfarre tätig. Er soll vor allem dort sein, wo geistige, körperliche, materielle Not ihn fordern, sich also karitativ-pastoralen Aufgaben widmen. Eine nicht unbedingt leichte Aufgabe hat Ivan Wegleiter bereits während seiner Ausbildung zum Diakon übernommen. Er betreut nämlich Insassen des Bozner Gefängnisses. Zunächst war es als Praktikum gedacht, aber von vornherein auf längere Zeit angelegt, sonst ist es wenig sinnvoll. „Die Tätigkeit ist zeitweise belastend. Ich muss mich bemühen, noch mehr Abstand zu dem zu nehmen, was ich sehe und hö-re, sonst bin ich zu viel mit mir selbst beschäftigt und kann den Gefangenen nicht so gut helfen. Sie kommen freiwillig zu den Gesprächen, die ich anbiete; manche warten die ganze Woche über wirklich „hart“ auf den sonntäglichen Besuch. Da ich aber deswegen in der Pfarre fehle, arbeite ich derzeit an einem Plan, beides zu vereinbaren. Wenigstens einmal monatlich möchte ich z.B. predigen, möchte auch Taufen und Eheschließungen übernehmen; da werde ich wohl von meinem Gefängnisdienst einige Abstriche machen müssen. Wenn ich aber für andere Menschen da sein möchte, brauche ich ebenso Zeit für mich und für meine Erholung, also einen gesunden Ausgleich.“ Ich denke, der Hund, der während unseres Gesprächs ruhig unter dem Tisch liegt, wird seinen Besitzer manchmal daran erinnern. Zwei Anliegen nennt Wegleiter noch: „Wichtig ist mir das Gespräch mit Gläubigen, z.B. nach der Messe, oder wo sich sonst Gelegenheiten ergeben. Ein höher gestecktes Ziel, wofür es einen längeren Atem und viel gegenseitiges Verständnis braucht, ist der Ausbau der Stadtpastoral. Wir haben nicht unbegrenzte Ressourcen, sondern sollten versuchen, damit hauszuhalten und über die Grenzen der jeweiligen Pfarrei hinauszuschauen.“
Religion und Kunst – wie passt das zusammen?
Ivan Wegleiter hat seine pädagogische Berufung erwähnt, aber inwiefern lassen sich sein Unterrichtsfach Kunst und die religiöse Berufung miteinander vereinbaren? „Ein Kunstverständnis ohne die Kenntnis der christlichen Kulturgeschichte des Abendlandes ist nicht möglich. Wie erkläre ich denn sonst die vielen christlichen Gebäude, die wir gerade hier in Südtirol haben, die Kapellen, Wegkreuze, Kirchen, Klöster? Wie kann man die Malereien auf Häusern, in Kirchen, in alten Büchern verstehen, ohne etwas von christlicher Religion zu wissen? Was ist mit zahlreichen Bräuchen, Festen, Feiern unseres Heimatlandes? Unsere Kunst bietet einen guten Zugang dazu und umgekehrt braucht es christliche Kulturgeschichte, um sie zu verstehen.“ In seinem Fach kann Wegleiter das bestens aufzeigen, betont aber: „Ich will nicht missionieren, sondern erklären, denn ohne theologisches Wissen ist vieles unverständlich.“ Damit erreicht Wegleiter alle Schüler-/innen und möchte ihnen einen Weg zur Kunst, vielleicht auch zu ihrem eigenen Schaffen eröffnen, denn „man kann nichts Neues schaffen, wenn man das Alte nicht kennt.“