Skepsis gegenüber der Psychotherapie
Im Herbst 2015 von Dr. Dagmar Pavan
Hallo Frau Dr. Pavan,
mein Name ist Franz Z. und ich bin 41 Jahre alt. In letzter Zeit fühle ich mich nicht besonders gut. Wenn ich an meine Zukunft denke, fällt es mir schwer, positive Gedanken zu fassen. Ich erlebe mich über den Tag hin mehrfach traurig und nervös. Müdigkeit und Kopfschmerzen begleiten mich ständig.
Nun frage ich mich seit einiger Zeit, ob es sinnvoll sein könnte, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zum einen überlege ich, zu meinem Hausarzt zu gehen, aber andererseits ahne ich, dass es wohl psychologische Hilfe sein wird, die ich nötig habe. Ich muss zugeben, dass ich zwar schon neugierig bin, was Psychotherapie ist, aber zugleich bin ich auch ziemlich skeptisch, was diese Art von Hilfestellung angeht. Eine Freundin von mir sagt, „hier ist eine psychiatrische Visite notwendig“. Ich bin ratlos und verunsichert, … was meinen Sie?
Lieber Franz,
danke für Ihre Frage und das Vertrauen das Sie mir schenken, gerade weil Sie eigentlich eine skeptische Einstellung zur Psychotherapie haben. Vielleicht ist es wichtig festzuhalten, dass sie nicht der Einzige sind, der zweifelt. Im Laufe der letzten Jahre sind mir sehr viele Menschen begegnet, die sich fragten, ob Psychotherapie eine effiziente Lösung für ihre emotionalen Probleme sein könnte. Gerade deshalb möchte ich diese Thematik ein wenig vertiefen. Leider gibt es in Südtirol noch einen gewissen Informationsmangel, viele falsche Annahmen und Vorurteile was Psychologie angeht. Manche sprechen von der Psychologie, als wäre es eine Art von Glaube: „Das glaube ich nicht“ oder „das glaube ich schon.“ Wir sprechen hier jedoch nicht vom Glauben. Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die vom Forschungsministerium und der Universität anerkannt wird, es gibt Dutzende von Fakultäten im ganzen Land und sehr viel mehr im Ausland. Es gibt eine Psychologenkammer, einen Pensionsfond und einen ethischen Kodex. Psychologen und Psychotherapeuten arbeiten im Gesundheitswesen, in Unternehmen, in der Werbeindustrie, in den Schulen, in der Weiterbildung usw.
Ich kann verstehen, dass der Mensch Vorsicht walten lässt, wenn es darum geht, sich für eine psychotherapeutische Behandlung oder für psychologische Beratung zu entscheiden. Einigen ist nämlich klar, dass es dann darum gehen könnte, etwas zu verändern, sich selbst zu beobachten und neue Wege zu gehen. Das macht Angst. Auch das Unwissen über die angewandten Methoden, die zu tragenden Kosten und die noch immer bestehende Scham, psychische Probleme zuzugeben, behindern und lösen einen gewissen Widerstand aus.