Andreas Pichler
Augenarzt mit Leib und Seele
Im Sommer 2018 von Eva Pföstl
„Das Auge war das Organ, womit ich die Welt fasste“, sagte Johann Wolfgang von Goethe. Wie wichtig die Augen für unsere Weltwahrnehmung sind, weiß Andreas Pichler bestens, denn er wurde nach solider Ausbildung und mehreren Spezialisierungen im In- und Ausland im Jahre 2012 zum stellvertretenden Direktor, im März 2016 zum geschäftsführenden Direktor und im Januar 2017 zum Primar der Augenabteilung des Krankenhauses Meran ernannt.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Was bedeutet für Sie das Auge?
A. Pichler: Das Auge ist für mich privat und beruflich natürlich enorm wichtig. Ohne dieses Sinnesorgan kann ich nicht jenes meiner Patienten beurteilen und behandeln. Ich sehe tagtäglich eine Vielzahl von Augen von außen und von innen. Das Auge fasziniert mich einfach.
MS: Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
A. Pichler: Die Augenheilkunde ist ein vielseitiger Fachbereich, der es mir erlaubt, sowohl chirurgisch als auch konservativ aktiv zu sein. Zudem zeichnet sich der Fachbereich durch eine hohe Technisierung und Miniaturisierung aus. Ob Diagnostik oder Therapie, fast alles braucht die Hilfe modernster Computertechnologie und hochauflösender Mikroskope. Besonders in den letzten 20 Jahren hat sich unser Fachbereich stark weiterentwickelt und es besteht immer noch ein enormes Entwicklungspotential. Dies alles sind faszinierende Aspekte meiner Arbeit.
Zum Augenchirurgen ist man allerdings nicht berufen, wenn man viel feiern will. Jede Operation ist eine Präzisionsarbeit, weshalb ein möglichst solider Lebensstil erforderlich ist.
MS: Welche Entwicklungen sehen Sie als wichtigste Meilensteine in Ihrem Bereich?
A. Pichler: Die Augenheilkunde als eigenes Fachgebiet entwickelte sich etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Seitdem haben sich die diagnostischen und die chirurgischen Techniken natürlich stark verändert. Besonders die Entwicklung in der Augenheilkunde der letzten 30 Jahre ist nicht anders als rasant zu bezeichnen und lässt einen einfach nur staunen. Dies in Bezug auf die pharmakologischen Therapien als auch auf die chirurgischen Eingriffe am und im Auge. So ermöglicht die Verwendung neuester und hochtechnisierter Geräte eine hochqualifizierte chirurgische Versorgung. Es gibt kaum eine medizinische Disziplin, in der man so gut behandeln kann wie in der Augenheilkunde.
MS: Können Sie uns einige Beispiele nennen?
A. Pichler: Der Grüne Star, also die Schädigung des Sehnervs, kann heutzutage entweder mit Augentropfen oder mit Laser behandelt werden. Die Makuladegeneration, also die Netzhauterkrankung, kann ebenfalls meist mit Medikamenten erfolgreich behandelt werden. Beim „Grauen Star”, also der Trübung der Augenlinse, kann die Linse ausgetauscht werden. Dies sind alles Behandlungsmöglichkeiten für Augenkrankheiten, die vor Jahrzehnten teilweise noch schwer behandelbar oder gar als unheilbar eingestuft waren.
MS: Was bedeutet dies für den Patienten?
A. Pichler: Bei Patienten, die früher auch bei uns erblindet wären, kann man heute einfach viel mehr machen. Dieser Segen bringt aber auch den Fluch mit sich, dass viele Patienten Augenoperationen als überdurchschnittlich erfolgreich einschätzen, obwohl dies z. B. beim Grünen Star oder bei Hornhaut-, Netzhaut- und Makulaerkrankungen nicht in gleichem Maße der Fall sein kann. Immer wieder müssen sowohl der Patient als auch wir Ärzte bei diesen Erkrankungen damit zufrieden sein, das Sehvermögen zu erhalten, anstatt es wieder zu verbessern.
MS: Welche Augenkrankheit ist heute noch unheilbar?
A. Pichler: Fast alle Erkrankungen, die mit einer Verletzung des Sehnervs oder der Netzhaut einhergehen, sind unheilbar, da sich das Nervengewebe nicht nachbildet. Der Grüne Star ist aus medizinischer Sicht nicht heilbar, aber behandelbar. Diesbezüglich gibt es also eine gute und eine schlechte Nachricht. Gut ist, dass es mit einer erfolgreichen Therapie gelingen kann, ein weiteres Fortschreiten der Augenerkrankung zu verhindern und die noch bestehende Sehleistung zu erhalten. Schlecht ist, dass therapeutische Mittel fehlen, um eine bereits bestehende Schädigung des Sehnervens rückgängig zu machen.
MS: Welche Operation wird weltweit am häufigsten durchgeführt?
A. Pichler: Die Korrektur des Grauen Stars ist die weltweit am häufigsten durchgeführte Operation. Während die Eintrübung der Linse in vielen Entwicklungsländern immer noch die häufigste Ursache für Erblindung darstellt, handelt es sich bei uns mittlerweile um eine standardisierte und etablierte Therapieform mit sehr guten Erfolgen.
MS: Wieviele Operationen am Grauen Star führt das Krankenhaus Meran durch?
A. Pichler: Wir haben in Meran mittlerweile ungefähr 1.800 Eingriffe pro Jahr . Diese betreffen meistens Menschen ab 65, in seltenen Fällen aber auch Kleinkinder.
MS: Mehrere Studien beweisen, dass die Zahl der Kurzsichtigen rapide steigt, seit die Nutzung von Smartphones zunimmt. Droht eine neue Volkskrankheit?
A. Pichler: Ja, die Kurzsichtigkeit (Myopie) trübt mittlerweile den Blick von Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt. Kurzsichtigkeit ist eine typische Erkrankung der industrialisierten Länder. Bis 2050 könnte laut Schätzungen jeder zweite Weltbürger von Kurzsichtigkeit betroffen sein. Die permanente Naharbeit am Computer oder die überlange Nutzung von Smartphones, besonders bei Kindern und Jugendlichen, ist für die Myopie verantwortlich.
MS: Wie kann man sich am besten vor Myopie schützen?
A. Pichler: Letztlich hilft nur eines effektiv und nachhaltig: So oft wie möglich raus an die frische Luft!
MS: Welche Alternativen gibt es zur Brille?
A. Pichler: Mittlerweile gibt es sehr viele und sehr gute Alternativen zur Brille: Von Kontaktlinsen und Lasertherapie bis hin zu speziellen künstlichen Linsen, die in das Auge eingesetzt werden. Jede Möglichkeit muss jeweils individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Dabei müssen sowohl die Erwartungshaltung des Patienten als auch die technischen Möglichkeiten abgeklärt werden.
Die altersbedingte Weitsichtigkeit z. B. ist keine Krankheit, sondern ein normaler Funktionsverlust: Ein scharfes Sehen in der Nähe, also insbesondere beim Lesen, ist dann nicht mehr uneingeschränkt möglich und somit ist eine Brille erforderlich.
In der Regel ist eine chirurgische Korrektur in diesem Fall nicht empfehlenswert. Wenn sich hingegen ein junger Mensch für eine Korrektur der Fehlsichtigkeit entscheidet, so ist das auch aus technischer Sicht voll verständlich. Allerdings werden im öffentlichen Krankenhaus keine solchen Operationen durchgeführt, da dies unter den Bereich „kosmetischer Eingriff” fällt.
MS: Kann man Krankheiten von den Augen ablesen? Gibt das Auge solche Hinweise?
A. Pichler: Patienten gehen zum Augenarzt, um ihre Sehkraft überprüfen zu lassen, wenn sie akute Beschwerden haben oder eine Vorsorgeuntersuchung wahrnehmen wollen. Doch der Augenarzt kann auch Hinweise auf Allgemeinerkrankungen erkennen, die den ganzen Körper betreffen und von denen der Patient bis dahin vielleicht gar nichts bemerkt hat. Nirgends können Ärzte Blutgefäße so leicht und für den Untersuchten so wenig belastend betrachten wie am Auge. Der Zustand der feinen Blutgefäße, die die Netzhaut des Auges versorgen, lässt Rückschlüsse auf das gesamte Blutgefäßsystem zu. Das gilt besonders für Bluthochdruck und Diabetes. Aber auch seltene Erkrankungen wie Multiple Sklerose oder genetische Veränderungen werden am Auge sichtbar. Unsere Rückschlüsse können deshalb ausschlaggebend für den Beginn, die Fortsetzung oder die Änderung einer Therapie des Hausarztes, des Internisten oder des Diabetologen sein.