Das Aquatische Artenschutzzentrum
Im Herbst 2023 von Eva Pföstl
Bäche, Flüsse, Seen und Feuchtgebiete gehören weltweit zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen. Das wirkt sich auch auf das Artenspektrum der Fische und deren Bestandsdichten aus. Laut Fischereiverband Südtirol sind es vor allem verbaute und eingeengte Gewässer, die Wasserkraftnutzung, landwirtschaftliche Ableitungen sowie diffuse Einleitung von Schadstoffen, eine erhöhte Präsenz von Fischräubern, die Ausbreitung invasiver Arten und vieles andere mehr, was der Fischfauna vielerorts zu schaffen macht. Daher sind einige heimische Fischarten in Südtirol auf menschliche Unterstützung angewiesen. Dieser Aufgabe hat sich das Aquatische Artenschutzzentrum - auf Gemeindegrund von Schenna gelegen - verschrieben, das aus der ehemaligen Landesfischzucht hervorgegangen ist. Heute wird das Aquatische Artenschutzzentrum von der Agentur Landesdomäne unter der Leitung von Daniel Eisendle geführt.
Seit der Neuausrichtung im Jahr 2016 widmet sich das Aquatische Artenschutzzentrum ausschließlich der Erhaltung und Förderung der heimischen Fischfauna und setzt dabei konsequent auf Qualität statt Quantität. Mit einer klassischen Landes-Fischzucht hat das Artenschutzzentrum heute somit nur mehr sehr wenig zu tun. Maßgeblichen Anteil am Gelingen der Neuausrichtung hat Daniel Eisendle, der Koordinator des Aquatischen Artenschutzzentrums, der von sechs Mitarbeitern unterstützt wird. Der studierte Biologe arbeitet seit Jahren in unterschiedlichen Positionen im Bereich der aquatischen Ökologie und kennt dadurch den Zustand der Südtiroler Fischpopulationen bestens.
Bewahrung der genetischen Vielfalt und des Wildfischcharakters
„Die Erhaltung und Wiederansiedlung von in Südtirol heimischen Fischarten sind die Hauptaufgaben des Aquatischen Artenschutzzentrums. Die Marmorierte Forelle, die Königin der Hauptgewässer Südtirols, steht dabei im Mittelpunkt“, erzählt uns Eisendle bei unserem Besuch im Artenschutzzentrum.
Die beiden Grundsäulen bei der Arbeit sind die Unterstützung der Bestände über die Vermehrung und Aufzucht von Teilen des Wildfischnachwuchses und die lückenlose genetische Untersuchung aller Individuen. Dabei werden jedes Jahr weibliche und männliche wildlebende Marmorierte Forellen mit Elektrofischerei, z. B. auch in der Passer, gefangen, um Ei- (Laich der „Rogner”) und Samenmaterial (Milch der „Milchner”) zu gewinnen. „Jeder gefangene Fisch wird genetisch untersucht und bekommt einen Mikrochip eingepflanzt, damit wir ihn verfolgen können“, erklärt uns der Experte. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit der Stiftung Edmund Mach in San Michele unter der Leitung von Andrea Gandolfi. Es handelt sich um über 1.000 Fische pro Jahr, die genetisch untersucht werden. „Die Bestände der Marmorierten Forelle sind stark mit der Bachforelle hybridisiert und können nur mit genetischen Analysen voneinander unterschieden werden", erklärt Eisendle. Auch die Nachkommen von diesen Individuen werden genetisch überprüft, um die genetische Diversität des Mutterfischbestands sicherzustellen“.
Qualität vor Quantität
Nur jene Fische, welche die genetischen Qualitätskriterien erfüllen, werden abgestreift. Die Elterntiere werden ausnahmslos in ihr Ursprungsgewässer rückbesetzt. Der Großteil der Nachkommen wird in den Gewässern des Landes besetzt, während ein überschaubarer Teil im Artenschutzzentrum behalten wird, um einen kleinen, möglichst naturnah gehaltenen Mutterfischbestand aufzubauen.
Um eine Domestikation zu vermeiden, wurden die Strukturen und das Futter im Aquatischen Artenschutzzentrum den natürlichen Lebensraumansprüchen angepasst. Anstatt große Fischmengen zu produzieren, wird durch die innovative Herangehensweise die genetische Vielfalt geschützt und einer Domestizierung der Fische vorgebeugt. Das Aquatische Artenschutzzentrum versucht also, den Wildfischcharakter der gezüchteten Fische zu bewahren, indem die Bedingungen so gut wie möglich der Natur nachgestellt werden, um die Fische besser auf die „raue Wildnis” vorzubereiten. So wurde auch eine Kühlanlage installiert, durch die es möglich ist, die Bruthalle für die befruchteten Eier mit temperiertem Brunnenwasser zu versorgen und den Temperaturverlauf der Passer zu imitieren.