Drei mögliche Wege nach Rom
Im Winter 2013 von Gudrun Esser
Ende des Monats sind Parlamentswahlen. Cristina Kury hat bereits bei den letzten Gemeinderatswahlen 2010 ein dichtes Kopf-an-Kopf-Rennen gegen die SVP Kandidaten geliefert. Jetzt nimmt sie den Wahlkampf gegen Karl Zeller auf, SVP-Kandidat des Senatswahlkreises Meran. Kury will nichts versprechen, außer einhundert Prozent Einsatz für Südtirol, Zeller formuliert konkreter und verspricht, für den Ausbau der Autonomie zu kämpfen. Albrecht Plangger aus Graun erhielt bei der Basiswahl mit 26,50 Prozent mit Abstand die meisten Stimmen aller SVP-Kammerkandidaten. Auch wenn die SVP betont, den Wahlkampf im Team zu bestreiten, gemeinsam mit dem Bündnis Bersani, driften die Vorstellungen des Kammer- und des Senatsabgeordneten leicht auseinander. Reine Charaktersache?
Meraner Stadtanzeiger: Herr Zeller, sollten Sie in den Senat gewählt werden, welche Aufgaben werden anders sein als in der Kammer bisher?
Karl Zeller: Die Aufgaben bleiben mehr oder weniger dieselben. Nur werden im Senat voraussichtlich die Mehrheitsverhältnisse viel knapper als in der Kammer. Die Senatoren könnten damit künftig mehr Gewicht bei politischen Entscheidungen bekommen als in den letzten Jahren. Und natürlich sind im Senat weniger Abgeordnete als in der Kammer.
Stadtanzeiger: Was ist Ihrer Ansicht nach die Stärke des Kammerkandidaten Plangger – außer, dass er ein erfahrener und eiserner Verhandlungspartner beim Stromgeschäft war?
Karl Zeller: Ohne Plangger gäbe es heute in Italien keine Umweltpläne. Das war vor zehn Jahren seine Anregung. Er kennt die Materie, kennt Rom und ich glaube, dass er sich vor anderen Parlamentariern nicht zu verstecken braucht. Wenn es uns gelingt, genügend Stimmen zu erhalten, werden wir gemeinsam sicher einiges bewegen können.
Albrecht Plangger: Meine Seilschaften haben schon immer von Tolmezzo bis Aosta gereicht. Wir haben die gleichen Probleme, vergleichbare Ideen und sind der gleiche Menschentyp. Das sind meine Ansprechpartner, mit denen ich Kontakte aufbauen möchte, auch über bestimmte Parteigrenzen hinaus, da habe ich keine Berührungsängste.
Stadtanzeiger: Frau Kury, verraten Sie mit Ihrer Kandidatur für den Senatswahlkreis Meran-Vinschgau nicht die Meraner Bürger, immerhin erhielten die Grünen mit Ihnen bei den letzten Gemeinderatswahlen 2010 die zweitmeisten Stimmen?
Cristina Kury: Nein, ich sehe das nicht als Verrat, ganz sicher nicht. Ich denke, dass ich in den vergangenen drei Jahren bereits sehr viel für Meran bewegt habe. Zwar nie mit Zustimmung der SVP. Meistens wurden unsere Vorschläge zunächst abgelehnt, aber letztlich doch umgesetzt.
Stadtanzeiger: Die Konkurrenz ist diesmal größer als bei den Gemeinderatswahlen, fürchten Sie nicht, dass die Mühen umsonst sind?
Cristina Kury: Mir ist durchaus bewusst, dass ich nicht aus einer bevorzugten Position starte. Da gibt es den Onorevole, der sicher mit besseren Chancen startet. Eine Hoffnung habe ich jedoch, dass jene Dinge, die in den letzen fünf Jahren in Südtirol geschehen sind, vom Wähler nicht vergessen wurden. Sollten Sie bei der Wahl Ende Februar nicht mehr daran denken, sondern nur am Stammtisch schimpfen, wird sich in Südtirol auch nichts ändern.
Stadtanzeiger:Wie sieht Ihr Vorhaben für den Senat aus?
Karl Zeller: Wir hoffen, dass wir eine Verfassungsreform durchbringen, um den Senat abzuschaffen bzw. in eine Kammer der Regionen umzuwandeln. Die aktuellen beiden Häuser, Kammer und Senat, mit fast eintausend Parlamentariern, die fast alle dasselbe tun, ist, glaube ich, nicht mehr zeitgemäß und gibt es auch sonst nirgendwo auf der Welt.
Stadtanzeiger: Sie denken bereits in riesigen Schritten, der größte jedoch, überhaupt gewählt zu werden, muss erst einmal geschafft werden. Letzten Umfragen zufolge hat die SVP etliche Stimmen verloren. Fürchten Sie nicht, dass sich das auch bei den Parlamentswahlen widerspiegeln wird?
Karl Zeller: Sicher hat das einen Einfluss, dass wir derzeit nicht gut liegen. Wir müssen vor allem in der Kammer kämpfen, dass wir in Südtirol die 40-Prozent-Hürde schaffen. Ansonsten würde Südtirol erstmals seit 1948 keinen Kammervertreter in Rom haben. Im Senat ist es nicht so heikel. Wer eine Stimme mehr hat, gewinnt. Die SVP hat jedoch – wenn auch nicht die absolute – immer noch die relative Mehrheit im Land.
Albrecht Plangger: Das schadet uns allen. Das heißt, dass wir uns noch mehr ins Zeug legen müssen und noch präsenter sein müssen, um die Bürger zu überzeugen, dass wir die einzigen sind, die für Südtirol etwas machen können. Andere Parteien, wie die Freiheitlichen, haben da vergleichsweise Narrenfreiheit. Die können alles versprechen. Das ist einfach, wenn man nichts davon halten muss. Ich kann wenig versprechen, mich lediglich bemühen, dass wir an dem Vertrag, den wir mit Bersani gemacht haben, so gut wie möglich arbeiten werden und dass ich mich in Rom voll für unser Land einsetzen werde.
Stadtanzeiger: Die jüngsten Stimmeneinbußen der SVP könnten sich positiv für Sie auswirken, mit welchem Wahlprogramm wollen Sie aber punkten, Frau Kury?
Cristina Kury: Ich könnte jetzt natürlich das Blaue vom Himmel herab versprechen, wie andere Politiker. Das ist aber nicht mein Stil. Ich möchte Ihnen mit einer Geschichte antworten: Als ich mit Florian Kronbichler letztens auf Wahlkampfreise durch den Vinschgau war, sprach mich im Zug eine ehemalige Schülerin an und wünschte mir von Herzen viel Glück für den Wahlkampf. Als ich sie fragte, weswegen sie so überzeugte Grünwählerin ist, antwortete sie: „I hon ja vier Kinder!“ Keine kurzfristigen Versprechungen für den Geldbeutel, die Grünen werden sich dafür einsetzen, dass unser Land auch für die Nachfolgergenerationen lebenswert ist.
Stadtanzeiger:Worin liegt Ihrer Ansicht nach der entscheidende Unterschied, ob man von Südtirol aus oder direkt in Rom Politik macht?
Cristina Kury: Vor allem wäre es wichtig, dass die Grünen überhaupt endlich in Rom vertreten sind. Sollten wir das schaffen, wird unser politisches Schaffen auf drei Säulen fußen: ökologische Verantwortung, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung. Das muss bei jeder Maßnahme mit bedacht werden!
Albrecht Plangger: Das ist ganz eine andere Arbeit. Ich war zwanzig Jahre Bürgermeister in Graun mit den lokalen Aufgaben, die zu bewältigen waren. Mit der Energie hatte ich allerdings auch ein übergemeindliches, ein Landesthema, das auch seine nationalen Auswirkungen hatte. Als Präsident vom Konsortium hatte ich ja Streit mit dem Land, der wurde bis zum Verfassungsgerichtshof gebracht; dieser hat unserem Bestreben recht gegeben, dass nämlich der Wasserzins nicht dem Land, sondern den Gemeinden zusteht. Das Urteil gilt in ganz Italien. Ich war deshalb immer einer der gerne gesehenen Präsidenten, weil ich für sämtliche Gemeinden im Alpenraum etwas bewirken konnte.
Stadtanzeiger: Das war natürlich ein Thema, das Ihnen mit dem Energielieferanten Reschen-Stausee vor der Tür geografisch sehr nahe war und große Bedeutung für das Gemeindebudget hatte. Glauben Sie, dass Sie für andere Themen dieselbe Leidenschaft entwickeln können?
Albrecht Plangger: Naja, das bin ich ja schon von den Bürgermeister-Themen gewohnt. Da musste ich mich auch um viele verschiedene Dinge kümmern. Es braucht natürlich immer ein bisschen Eigeninteresse, damit der Motor läuft. Aber ich glaube, dass es mehr Themen als nur die Energie gibt, bei denen man als kleiner Abgeordneter etwas verändern kann. Wir sind Ansprechpartner für den ländlichen Raum, man hört verschiedene Dinge, kann den Kontakt mit anderen Provinzen pflegen und letztlich gemeinsam einiges bewirken. Vor allem muss man eine Seilschaft mit Gleichgesinnten gründen, aus anderen Berggebieten, die ähnliche Anliegen haben.
Stadtanzeiger: Die beiden Kammerabgeordneten Brugger und Zeller waren immer recht präsent in den Medien, die Senatoren schienen da vergleichsweise zurückhaltender – würde sich das mit einem Senator Zeller ändern?
Karl Zeller: Nein, ich glaube, gerade die Senatorin Helga Thaler Ausserhofer war doch gerade von 2006 bis 2008, als die Mehrheitsverhältnisse knapp waren, ständig in den Schlagzeilen, auch der nationalen Medien. Brugger und ich waren allerdings ein gutes Team, das sich meist einig war, außerdem waren wir Vertreter Südtirols in der 6er- und 12er-Kommission. Mit dieser Position in der paritätischen Kommission konnten wir uns teils natürlich besser in Szene setzen als andere Parteikollegen. Das wird sicher mit den neuen Leuten anders werden. Aber jeder von ihnen wird natürlich auch wieder seinen Platz in den Medien finden. Wichtig ist aber, dass wir künftig als Team auftreten und uns nicht gegenseitig in die Suppe spucken.
Stadtanzeiger:Wenn ein Team eine neue Aufgabe angeht, ruft der Teamchef vorab alle zusammen, um die Strategien für eine erfolgreiche Partie zu besprechen. Welcher Spielzug – sollten Sie die Qualifikation schaffen – wird ihr erster sein?
Karl Zeller: Vor allem werden wir künftig mehr Teambesprechungen haben als bisher. Sollten wir und Bersani gewählt werden, wollen wir zunächst das umsetzen, was wir nicht über den langfristigen Parlamentsweg, sondern mit Durchführungsbestimmungen sofort regeln können. Die Finanzen, Steuerautonomie, das Gerichtspersonal, die Regelung für den Nationalpark Stilfser Joch, das kann alles die Regierung machen, ohne den Weg über das Parlament zu gehen. Wir hoffen, im kommenden Herbst bereits dem Ministerrat die Durchführungsbestimmungen vorlegen zu können. Außerdem müssen wir schnellstmöglich die paritätischen Kommissionen mit den Staatsvertretern neu besetzen.
Stadtanzeiger: Gerne heißt es aus anderen Regionen, Südtirol bekomme das ganze Geld und man lebe wie im Schlaraffenland. Wie ist denn unter dieser Voraussetzung eine wirklich gute Teamarbeit möglich?
Albrecht Plangger: Joa, schun, Eifersüchteleien wird es immer wieder geben. Ich habe das am eigenen Leib miterlebt. Als ich Präsident des Konsortiums war, musste ich oft nach Rom und habe miterlebt, wie die Stimmung umgeschlagen ist. Erst hieß es immer, ihr seid super, bei euch läuft was, ihr baut E-Werke. Aber irgendwann ist die Stimmung umgeschlagen. Vor allem, als der Landeshauptmann gesagt hat, dass er nicht an der 150-Jahrfeier teilnehmen werde. Da hat er meiner Ansicht nach den Nerv der Italiener total getroffen. Und die sind folglich umgekippt. Die haben gesagt, gut, ihr wollt uns nicht, dann wollen wir euch auch nicht, dann wurden sie neidisch und plötzlich hieß es nicht mehr, ihr könnt gut verwalten, sondern ihr könnt das nur, solange ihr unser Geld bekommt. Hier müssen wir in Rom wieder beweisen, dass wir tatsächlich gute und saubere Verwalter sind.
Stadtanzeiger: Frau Kury, Herr Plangger dürfte da auf einer ähnlichen Wellenlänge sein wie Sie, könnten Sie sich echtes Teamwork vorstellen?
Cristina Kury: Selbstverständlich! Ich schätze Albrecht Plangger sehr. Gerade den Energieskandal betreffend hatte ich viel Kontakt mit ihm. Nur ist es so, dass es innerhalb der SVP ehrenwerte Personen gibt, aber wenn sie was werden wollen – siehe den Fall Schuler – dann wird ihnen im Vorfeld das Rückgrat gebrochen. Das ist das Problem. Wer nicht kuscht, wird nichts! Deshalb habe ich Schwierigkeiten damit, gemeinsam mit der SVP etwas in Angriff zu nehmen. Aber das haben die Wähler in der Hand, zu sagen, dass sich daran etwas ändern soll.
Stadtanzeiger: Zum einen will die SVP das Mailänder Abkommen umsetzen, zum anderen auch ein drittes Autonomiestatut erarbeiten. Sie sprechen von Steuerautonomie – Steuergelder auszugeben ist eine Sache, sie einzutreiben und dann sinnvoll einzusetzen, dürfte etwas schwieriger werden. Ist das politisch nicht riskant?
Karl Zeller: Das gehört zu einer Autonomie, die erwachsen und reif sein will. Ich kann nicht nur das Geld, das andere eintreiben, verteilen. Ich muss auch bereit sein, die Verantwortung für das Eintreiben zu übernehmen. Zudem erhalten wir mehr Gestaltungsspielraum. Wenn wir mit der Unterstützung Bersanis eine eigene Wirtschafts- und Steuerpolitik in Südtirol umsetzen können, erhalten wir einen großen Standortvorteil, der sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt auswirken kann. Vielleicht können wir auch ein vernünftiges Steuersystem für Südtirol entwickeln – die Vereinfachung des derzeitigen Systems ist ein großes Thema. Dann können wir auch zeigen, dass uns das besser gelingt als anderen. Ein Mehr an Verantwortung also schon, aber auch eine Möglichkeit zu zeigen, dass wir wettbewerbsfähiger sind als andere, auch als der Staat. Ziel ist es, damit Speerspitze föderalistischer Bestrebungen Italiens, aber auch Europas zu werden.