Eisbildung wärmt die Apfelblüten
Frostschutzberegnung: Wenn Wasser gefriert, wird Wärme frei
Im Frühling 2018 von Dr. Wilhelm Mair
Soll im Herbst eine gute Apfelernte sein, müssen die Landwirte zur Blütezeit besonders aufmerksam sein. Es kann in dieser Zeit häufig zu Spätfrösten kommen, dann drohen Schäden, die den Ertrag und die Obstqualität negativ beeinflussen. Ende April jährte sich der große Frost, der in weiten Teilen Südtirols die Apfelblüte und die Rebenblätter traf sowie den Ertrag der Marillenernte dezimierte.
Wetter- und Froststationen
In Südtirol sind seit 2002 vom Unternehmen ELMED, das sich auf elektronische Mess- und Steuersysteme spezialisiert hat, im Auftrag des Südtiroler Beratungsringes (SBR) landesweit 125 Froststationen eingerichtet worden, weitere von Bonifizierungskonsortien (BK) und Privaten. Die Froststationen dienen allein dem Frostschutz oder sind ein Teil der Wetterstationen, die für den Obstanbau wichtige meteorologische Daten erheben. Für den Frostschutz sind die Feucht- und Trockentemperatur auf 60 cm über dem Boden, die Windstärke und der Verlauf dieser Parameter ausschlaggebend. Die Feuchttemperatur wird mit einem Thermometer gemessen, dessen Messelement mit einem feuchten, saugfähigen Baumwollstrumpf überzogen ist; wegen der Verdunstung von Wasser ist sie niedriger als die „trockene“ Lufttemperatur. Alle Messwerte werden im Abstand von 5 Minuten an einen Zentralrechner gesendet, wo sie ausgewertet und zu Prognosen verarbeitet werden.
Abruf der Frostdaten und Alarm
Der SBR und die BK bieten ihren Mitgliedern mehrere Möglichkeiten, die Frostdaten abzurufen: über Anrufbeantworter, SMS, mit dem Beratungsring-App, auf der Homepage des SBR und über Datenempfangsgeräte. Die Temperaturmesswerte für seine Zone, die Warnungen und Alarmmeldungen kann sich jeder berechtigte Bauer an sein Handy oder Datenempfangsgerät senden lassen. Mancherorts erfolgt die Alarmierung noch wie seit Beginn der Frostwarnung mittels Feuerwehrsirenen. Obwohl heute die Kontrollen mit ausgefeilter Technik und die Alarmierung mit Computer und Smartphones durchgeführt werden, sind viele Bauern sicherheitshalber in den Obstanlagen anzutreffen, um die Temperaturen an den kältesten Stellen selbst zu messen und die Frostschutzberegnung rechtzeitig in Betrieb zu setzen.
Der richtige Einschaltzeitpunkt
Die Frostschutzberegnung wird je nach Vegetationsstadium der empfindlichen Pflanzenteile in Abhängigkeit von der Grenztemperatur, dem Temperaturverlauf am Feuchtthermometer und der Windgeschwindigkeit eingeschaltet, und zwar bevor die Grenztemperatur erreicht ist. Die Grenztemperatur liegt z.B. bei den grünen Blattspitzen bei -4 °C (1), bei den roten Blütenknospen bei -2 °C (2), bei der Vollblüte bei 0 °C (3).
Gefrierwärme
Bei der Frostschutzberegnung werden die Apfelbäume mit Überkronenbewässerung berieselt, dabei bildet sich bei hoher Luftfeuchtigkeit um die empfindlichen Pflanzenteile eine dünne Eisschicht. Die feinen Wassertröpfchen geben beim Wechsel (ihres Aggregatzustandes) vom flüssigen Wasser zum festen Eis die Gefrier- oder Kristallisationswärme frei. Die Benetzung muss kontinuierlich erfolgen und solange fortgeführt werden, bis die Umgebungstemperatur über 0 °C ansteigt. Die Frostschutzberegnung beruht also auf der Erwärmung der Umgebung durch das Gefrieren des Wassers und nicht auf der Wärmeisolierung durch den Eismantel.
Frostschäden
Erleiden die Blüten und Früchte einen starken Schaden, verfärben sich die Blütenorgane braun, sie „verbrennen“ und sterben ab. Sinkt die Temperatur nur geringfügig unter 0 °C, wird die Fruchtschale beschädigt. Dies zeigt sich durch Korkstreifen (Frostnasen) oder durch eine ringförmige Berostung, die sich um die ganze Frucht zieht. Die raue, etwas bräunliche Oberfläche ist ein Schönheitsfehler, der den Geschmack der Frucht aber nicht beeinträchtigt.
Versorgung mit Wasser
Das für die Beregnung benötigte Wasser kommt aus Tiefbrunnen, Staubecken, Waalen und Gräben, aus Druckleitungen von Elektrizitätswerken, aus der Etsch und den zufließenden Gewässern. Es muss für das ganze betroffene Gebiet in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Weil die Wassermenge oft knapp wird, wenn alle Beregner einer Zone eingeschaltet werden, steht die Ableitung aus Stauseen (z.B. Reschen) zur Diskussion.