Guter Unterricht in der inklusiven Schule
Im Sommer 2023 von Eva Pföstl
Sechs Schuldirektionen beteiligen sich im Rahmen dieses Schwerpunkts an einem dreijährigen Pilotprojekt, und zwar der Schulsprengel Meran/Untermais, der Schulsprengel Mühlbach, der Schulsprengel Tramin, die Fachoberschule für Tourismus und Biotechnologie „Marie Curie“ in Meran, das Oberschulzentrum Schlanders und die Fachschule für Land- und Hauswirtschaft Salern. Diese Schulen werden in den drei Schuljahren von 2023/2024 bis 2025/2026 in besonderer Weise von qualifizierten Beraterinnen und Beratern begleitet und unterstützt. Sie können spezifische Module, die von der Pädagogischen Abteilung der Deutschen Bildungsdirektion bereitgestellt werden, als Unterstützungsangebot in Anspruch nehmen.
Der Schulsprengel Meran Untermais ist eine der sechs Schulen, die sich am Pilotprojekt „Wege in die Bildung 2030 – Guter Unterricht in der inklusiven Schule“ beteiligen. Mangelnde Sprachkenntnisse, soziale und kulturelle Unterschiede, Gewalt und Unbehagen von Kindern und Jugendlichen - die Schulen sind mit immer komplexeren Themen und Problemen konfrontiert. Dementsprechend anspruchsvoll ist die Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern geworden, sagt Direktorin Michaela Dorfmann in unserem Interview. Die Schulen sind gefordert, mit den Veränderungen Schritt zu halten, den Unterricht weiterzuentwickeln, den aktuellen Erfordernissen anzupassen und so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche gut auf die Herausforderungen unserer Welt vorbereitet werden.
MS: Welchen Herausforderungen muss sich die Schule heute stellen?
M. Dorfmann: Gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Schülerschaft heterogener geworden und die Komplexität - sei es sprachlicher und kultureller Natur aber auch aufgrund der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und der Vielfalt im Verhalten - an den Schulen dementsprechend gestiegen ist. Dies stellt die Schulen vor große Herausforderungen und erfordert angemessene, wirksame Antworten in Bezug auf die Organisation und Gestaltung von einem guten Unterricht, dem Kernauftrag der Schulen. So wie sich die Gesellschaft ständig verändert, muss sich auch der Unterricht weiterentwickeln. Wir sind aufgefordert entsprechende Schulentwicklungsprozesse auf den Weg zu bringen und den Unterricht etwa durch die Implementierung von neuen Unterrichtsmodellen und Unterrichtsformen weiterzuentwickeln. Das ist alles andere als einfach. Auch ist der Berufsalltag für die Lehrpersonen, die in einem so komplexen Arbeitsumfeld wirken, nicht selten herausfordernd und belastend. Viele der geforderten Kompetenzen sind in der Lehrerinnenausbildung und Lehrerausbildung nicht oder nur teilweise erworben worden.
MS: Was bedeutet guter Unterricht?
M. Dorfmann: Guter Unterricht bedeutet, alle Schülerinnen und Schüler mit ihren unterschiedlichen Bildungsbedürfnissen sprachlich, fachlich, in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und in ihren sozialen Kompetenzen bestmöglich zu fördern. Gleichzeitig geht es dabei auch darum, Lehrpersonen in ihrer Handlungskompetenz zu stärken, deren Zusammenwirken zu professionalisieren und dadurch Erleichterung im täglichen Arbeitsalltag herbeizuführen. Eine zukunftsfähige, inklusive Bildung ist der Weg zum Denken in Netzwerkstrukturen. Dabei geht es um die Erweiterung dessen, was inhaltlich zu Bildung gehört und was für Einzelne oder auch für Gemeinschaften wichtig sein könnte.
MS: Und was bedeutet dies ganz konkret für den Schulsprengel Untermais?
M. Dorfmann: Bereits seit Jahren sind wir bemüht, neue Wege einzuschlagen. So haben wir uns in den letzten Jahren intensiv darum bemüht, Unterricht, Lehrtätigkeit und Zusammenwirken in professionellere Bahnen zu leiten. An der Mittelschule Rosegger etwa haben wir Pädagogische Teams, die in der Regel aus drei Lehrpersonen bestehen und die Bildungs- und Erziehungsarbeit in den einzelnen Klassen koordinieren und verantworten. Diese Teams werden durch externe Begleitung in ihrem Zusammenwirken unterstützt. Schulsozialarbeit fällt nicht ausschließlich in den Aufgabenbereich der Sozialpädagogen, sondern wird zunehmend Teil der Erziehungstätigkeit jeder Lehrperson. Entsprechende Weiterbildung ist somit unumgänglich. Vereinbarungen und klare Konzepte für den Umgang mit herausfordernden Situationen aber auch mit der sprachlichen Vielfalt sollen den Lehrpersonen Halt und Orientierung geben. Wir überlegen auch, wie wir die italienischsprachigen Lehrpersonen stärker in das fachliche Lernen der Schülerinnen und Schüler einbinden können.
MS: Und in der Unterrichtsgestaltung?
M. Dorfmann: Auch in der Unterrichtsgestaltung selbst haben wir bereits neue Wege beschritten: Selbstorganisiertes Arbeiten mit Lernplänen, das Bilden von kleineren Lerngruppen im Deutschunterricht, kooperative Lernformen und ein kompetenzorientiertes Unterrichtsmodell werden neben der Montessori-Ausrichtung an den verschiedenen Schulstellen angewandt.
MS: Oft hört man den Vorwurf, unsere Kinder würden immer weniger gut die deutsche Sprache beherrschen. Können Sie das bestätigen?
M. Dorfmann: Im Schulsprengel Untermais sind derzeit rund 780 Schüler und Schülerinnen eingeschrieben und wir
haben 115 Lehrpersonen. Über 50 % unserer Schüler und Schülerinnen kommen aus einem Umfeld, in dem Deutsch nicht die erste Bezugssprache ist. Dies sind Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund oder solche aus italienisch- oder gemischtsprachigen Familien. Im Unterricht schauen wir natürlich, dass größtmöglich die deutsche Sprache verwendet wird. In der Pause wird sicherlich viel Italienisch gesprochen, aber dies ist auch ein Vorteil für die deutschsprachigen Kinder, denn sie verlassen unsere Schule mit guten Italienischkenntnissen. Ganz allgemein glaube ich, haben unsere Schülerinnen und Schüler ein angemessenes Niveau an Deutschkenntnissen. Von Oberschulen haben wir noch nie Rückmeldungen erhalten, dass unsere Schüler und Schülerinnen ein schlechteres Niveau als Kinder und Jugendliche aus anderen Schulen mitbringen würden. Zudem dürfen die interkulturellen Kompetenzen, welche sich die Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Grund- und Mittelschulzeit aneignen, nicht außer Acht gelassen werden.