Ist Jagen Männersache?
Nein. Immer mehr Frauen gehen in Südtirol auf die Jagd.
Im Herbst 2018 von Eva Pföstl
Seit dem Mittelalter waren Damen auf der Jagd und dies war keine Seltenheit – sofern sie dem Adelsgeschlecht entstammten. Sie repräsentierten ihren Stand und konnten es sich leisten. Karl der Große jagte in Begleitung seiner zweiten Gemahlin Hildegard und seiner sechs Töchter. Auch Catharina von Medici und Kaiserin Sisi von Österreich waren beide passionierte Jägerinnen. Nach dem Ende der höfischen Jagden war es für die Frau nicht mehr möglich, auf die Jagd zu gehen. Auch in den Zeiten des Absolutismus, des Biedermeiers und der beiden Weltkriege konnte oder durfte die Frau nicht zur Jagd gehen. Dies hat sich im Wandel der Zeit geändert. Auch in Südtirol wird die Jagd wieder weiblicher: Der Frauenanteil unter den Jägern hat in den vergangenen Jahren konstant zugenommen.
Seit 1990 hat sich die Anzahl der Jägerinnen in Südtirol fast versechsfacht: Während 1990 nur 55 Frauen als Jägerinnen aktiv waren, so waren es 2017 bereits 324 Frauen. „Der Vormarsch der Frauen ist deutlich spürbar“, stellt auch der Bezirksjägermeister und Vorstand des Jagdbezirkes Meran, Karl Huber, fest. Seit jeher seien Frauen in der Jagd unterrepräsentiert, die Jagd sei Sache des Mannes gewesen. Das habe sich aber im Lauf der vergangenen Jahre grundlegend geändert. Der Umbruch zeigt sich auch im Südtiroler Jagdverband: Noch vor gar nicht allzu langer Zeit waren alle Ämter ausschließlich von Männern bekleidet. Seit 2013 befindet sich in der Jagdprüfungskommission auch eine junge, hübsche Frau, nämlich Ulrike Raffl aus Meran. „Ja, die Jagd wird wieder weiblicher. Warum auch nicht? Die Geschichte mit ihren vielen berühmten Jägerinnen zeigt uns deutlich, dass dies kein Widerspruch ist“, betont sie. „Ich glaube nicht, dass sich Frauen erst seit kurzem für die Jagd interessieren. In der Jagd ist es aber wahrscheinlich wie in vielen anderen Bereichen: Früher hat man gesagt, dass die Jagd nichts für Frauen ist und durch die Emanzipation haben sich nun auch Frauen in dieses Gebiet gewagt.“ Aber dies sei nicht genug, unterstreicht sie, Frauen fänden es häufig wichtig, zu wissen, woher das Fleisch kommt, das sie essen. Wildfleisch ist reines Bio-Fleisch, fettarm, reich an Vitaminen. Und: Viele aus der jüngeren, weiblichen Zunft sagen, Jagen sei auch Entschleunigung. Draußen sein, in der Natur, den Wechsel der Jahreszeiten erleben, den Sonnenauf- und -untergang.
Jagen, ein Hobby in der freien Natur?
„Nein, das Jagen ist kein Hobby“, möchte Betty Meister, eine der ersten Jägerinnen Südtirols, klarstellen, „Jäger(-in) zu sein, ist eine Lebenseinstellung.“ Auf die Jagd zu gehen, habe nichts damit zu tun, das Gewehr zu schultern, in den Wald zu gehen und das erstbeste Tier zu erlegen, nur weil es einem Spaß macht. „Man erfüllt als Jäger einen Zweck und muss auch die Abläufe und Zusammenhänge kennenlernen und einhalten“, betont die Jägerin, die seit 1975 im Jagdrevier Obermais auf die Jagd geht. Dies bedeutet auch, Verpflichtungen und Verantwortung übernehmen, Revierarbeit machen, wie Füttern, Steige putzen usw. Übers Schießen an sich spricht sie ähnlich wie viele jagende Männer: „Schießen ist das letzte, was ein Jäger macht oder machen sollte“, meint sie schmunzelnd, „zuerst muss man wissen, was im Revier passiert.“ Und doch unterscheiden sich Jägerinnen aus Meisters Sicht von Jägern: „Frauen gehen bedachter zu Werke als Männer, schießen gewissenhafter und überlegter und haben mehr Respekt vor der Waffe. Deshalb schießen sie nicht schlechter als die Männer – eher besser“, betont sie. Und die passionierte Jägerin spricht aus Erfahrung, denn schließlich hat sie 12 Jahre lang am Schießstand in Obermais den angehenden Jägerinnen und Jägern das Schießen beigebracht. „Es gibt mehr gute Jägerinnen als man meint“, betont sie. Das bestätigt auch Karl Huber: „Frauen agieren meist ruhiger als Männer und das tut uns allen gut.“ Auch schössen Frauen sehr überlegt. „Ich empfinde das als Bereicherung der Jagd“, so Huber. Natürlich könne man körperliche Nachteile von Frauen nicht wegleugnen, etwa wenn es um das Tragen schwerer Tiere im Gelände gehe. „Aber auch ein Jäger holt sich Hilfe, wenn er einen erlegten Hirsch transportieren muss“, gibt der Bezirksjägermeister zu bedenken. Dass die Frauen weiter auf dem Vormarsch sind, zeigt sich auch daran, dass es innerhalb des Jagdverbandes eigene Zusammenschlüsse von Jägerinnen gebe. Das erste Jägerinnentreffen in Südtirol gab es 1995 in Villnöß und mittlerweile gibt es regelmäßige Treffen.
Wer darf jagen?
Anders als in anderen Ländern gibt es in Südtirol ein „soziales“ Revierjagdsystem, d.h. das Recht zur Jagdausübung ist grundsätzlich nicht an den Besitz von Grund und Boden gebunden, sondern an die Dauer der Ansässigkeit im jeweiligen Revier. Jeder Südtiroler hat die Möglichkeit, in seinem Heimatdorf zu jagen, vorausgesetzt man bezahlt die Einschreibegebühr für das Revier und verfügt über einen Jagdbefähigungsnachweis und einen Jagdgewehrschein, den man erst nach erfolgreich bestandener Jägerprüfung erhält. Hinter der sehr umfassend angelegten Prüfung steckt ein großer Aufwand, erzählt Ulrike Raffl: Umfangreiche Kenntnisse der Tierarten, der Wildbiologie, der Ökologie, der Wildhege, des Jagdbetriebes, der Wildschadensverhütung, des Land- und Waldbaus, der Waffenkunde, des Jagd-, Tierschutz- und Naturschutzrechtes u. v. m. müssen nachgewiesen werden und eine praktische Schießprüfung bestanden werden. „Diese Fähigkeiten erfüllen Jägerinnen ganz genauso wie die Männer. Bei der theoretischen Prüfung schneiden die Frauen sogar besser ab als die Männer“, erklärt sie schmunzelnd.
Wertschöpfung Jagd
Italienweit gibt es ca. 850.000 Jäger, in Südtirol insgesamt 6.000 Jäger, davon 324 Frauen. Im letzten Jahr haben 137 Anwärter (davon 17 Frauen) die Jagdprüfung in Südtirol bestanden. Im Jagdbezirk Meran gibt es 1.045 Jäger und 69 Jägerinnen.
Laut einer Studie der Universität Urbino (2012) werden italienweit 42.000 Arbeitsplätze von Sportschützen und Jägern gestellt. Und insgesamt geben die Jäger in Italien jährlich 3,5 Milliarden Euro aus, d.h. pro Kopf 3.500 Euro.