Musik in Meran
Mit Hermann Schnitzer im Gespräch
Im Sommer 2019 von Eva Pföstl
Mit Hermann Schnitzer im Gespräch
Der Meraner Hermann Schnitzer ist unter den Lauben im ehemaligen Gasthaus Haisrainer aufgewachsen, war ehemals Hoteldirektor und anschließend über 30 Jahre lang Reisebürodirektor. Ehrenamtlich leitete er zehn Jahre lang als Präsident die Kurverwaltung Meran und 1981 als Generalsekretär die Schachweltmeisterschaft in Meran. Zusammen mit Andreas Cappello hat er 1986 die Meraner Musikwochen gegründet und ist seit Anbeginn Präsident des berühmten Festivals. Wir sprechen mit ihm über die Anfänge und die Entwicklung der „Meraner Musikwochen“, die mittlerweile „südtirol festival merano.meran“ heißen, und lassen uns von einigen Anekdoten berichten, die das Festival schrieb.
Meran und Konzerte?
Ja, das passte schon immer gut zusammen, erzählt Hermann Schnitzer. Er weiß, wovon er spricht, denn als ehemaliger Präsident der Kurverwaltung hat er sich intensiv mit der Tourismusgeschichte Merans befasst: „In unserer Garten- und Thermenstadt, wo eine alpine Bergwelt auf mediterranes Flair trifft, beginnt die Geschichte der Musik bereits im frühen Mittelalter mit Namen wie Walther von der Vogelweide und Oswald von Wolkenstein. Ab dem 19. Jahrhundert verbringen große Komponisten und Solisten ihre Sommermonate in Meran: Edvard Grieg (1893), Béla Bartók (1901), Max Reger (1914), Paul Hindemith (1921), Giacomo Puccini (1923) oder Arnold Schönberg (1930), um nur einige zu nennen. 1922 begleitete Richard Strauss im Rahmen des ersten „Meraner Musikfests“ im Stadttheater ein eigenes Liedprogramm mit der Sopranistin Lotte Schöne und 1923 leitete Bruno Walter bei der zweiten Ausgabe dieses Festivals das Meraner Kurorchester.“
So war es auch folgerichtig, erklärt Schnitzer, dass 1986, anlässlich des 150. Geburtstags der „Kurstadt“, ein internationales Musikfest geplant wurde. Die Idee kam ursprünglich von einem langjährigen Stammgast, Albert Catell, der ein bedeutender Cellist und Dirigent des „New York Chamber-Orchestra“ war. Er lebte in Amerika, kam aber zweimal jährlich nach Meran. Er sollte das Festival organisieren, als er aber bei seinem Besuch im April noch immer kein Programm vorlegte, wurde die Programmgestaltung Andreas Capello übertragen. „Unsere Idee war es, etwas Bleibendes, etwas Unvergessliches für Südtirol zu organisieren. Und so entstanden die Meraner Musikwochen. Wenn es ein Flop wird, sagten wir uns tapfer, dann bleibt es halt einmalig. Aber wenn es ein Erfolg wird, machen wir weiter. Mittlerweile zählt das internationale Klassikfestival seine 34. Ausgabe“, erzählt Schnitzer nicht ohne Stolz.
Wo alles begann
Alles begann im Stadttheater, wo 1986 die ersten Meraner Musikwochen eröffnet wurden. Dass die damaligen 400 Sitzplätze des Jugendstilbaus nicht ausreichen würden, stellte sich schon 1987 heraus. Selbst die geräumige Sankt-Nikolaus-Pfarrkirche konnte damals anlässlich eines Konzerts der Solisti Veneti nicht alle Konzertbesucher aufnehmen. Die Tore mussten versperrt werden, nachdem sich über 1.000 Menschen im Innenraum der Kirche befanden.
Seit Beginn setzte das Festival auf höchste musikalische Qualität. Im Stadttheater gastierten bereits in der zweiten Festivalsaison die 12 Cellisten der Berliner Philharmoniker, das Emerson String Quartet und das Orpheus Chamber Orchestra – Spitzenensembles, die sonst nur in den Musikmetropolen der Welt zu hören waren. Der Anspruch, nur die besten Künstler in die Kurstadt zu holen, bestimmte das Programmangebot der Meraner Musikwochen auch nach dem Umzug in den restaurierten Kursaal im Herbst 1989. Inzwischen gibt es eine eigene Reihe für das Stadttheater, Kammermusik wird im Pavillon des Fleurs gespielt. Dazugekommen sind die Musikreihen „vox humana“, „colours of music”, die „matineè classique” und „barocco”, mit den neuen Orten wie der Heilig-Geist-Kirche, dem Palais Mamming, der Pfarrkirche Niederlana mit dem Schnatterpeckaltar und den beiden Schlössern Schenna und Tirol. Das Spektrum an Angeboten hat sich also deutlich erweitert, jeweils mit neuen Musikreihen und Einbindung des regionalen Umfeldes. „Neu bespielt wird heuer auch die Pfarrkirche von Marling, wo es eine tolle Orgel gibt, und wir gehen auch nach St. Leonhard ins Passeiertal“, erklärt Schnitzer.
Auch in der europäischen Festivallandschaft nimmt das Festival mittlerweile eine herausragende Stellung ein. Seit 1999 sind die Musikwochen Mitglied der Europäischen Festivalvereinigung und Hermann Schnitzer war sechs Jahre lang aktiv im Vorstand der Vereinigung tätig und seit drei Jahren hat er den Posten als Vizepräsident inne. „Unser Festival gehört mittlerweile zu den großen, prestigeträchtigen europäischen Festivals. Wir haben einen sehr guten Ruf und unser qualitativ hochwertiges Programm wird international sehr beachtet. Für mich ist die Mitgliedschaft in dieser Vereinigung nicht nur eine persönliche Bereicherung, sondern auch eine tolle Möglichkeit, Netzwerke zu knüpfen und Kontakte herzustellen, die unserem Festival von großem Nutzen sind“, so Schnitzer.
Anekdoten, die das Festival schrieb
Zur langjährigen Geschichte des Festivals gehören auch Anekdoten, erzählt uns Hermann Schnitzer. So lernte der Violoncellist Mischa Maisky seine Ehefrau während eines Gastspiels im Rahmen der Musikveranstaltung in Meran kennen. Im August 2001 teilte Sir John Eliot Gardiner den verdutzten Mitgliedern des Orchestre Revolutionaire et Romantique in der Rotunde des Kurhauses mit, er werde seine Managerin und Lebensgefährtin Isabella De Sabata heiraten. Nachdem die Musiker auf das Eheglück ihres Chefdirigenten angestoßen hatten, eröffneten sie die 16. Meraner Musikwochen. Im Rahmen der Meraner Musikveranstaltungen und seiner Bach Cantata Pilgrimage gastierte Gardiner mit dem English Baroque Soloists und dem Monteverdi-Chor in der Stadtpfarrkirche und spielte dort drei Bach-Kantaten für das Archiv-Label der Deutschen Grammophon ein. Eigentlich hatte der Dirigent drei Tage an der Passer gebucht. Gardiner ließ sich von Meran jedoch derart begeistern, dass der Aufenthalt „spontan“ um eine ganze Woche verlängert wurde.
Nirgendwo sonst fühlen sich die Künstler so zu Hause wie in Meran – davon ist Schnitzer überzeugt. „Vielleicht ist dies eines der Geheimnisse unseres Festivals, dass auch die renommiertesten Künstler gern in Meran auftreten und immer gerne wiederkommen: Hier erleben sie sich nicht als prominenten ‚Durchlaufposten‘ in einem anonymen starorientierten Musikbetrieb, sondern als individuelle künstlerische Persönlichkeit,“ so Schnitzer.