Klein kommt groß heraus
Im Frühling 2019 von Dr. Luis Fuchs
Wer sich am „Meraner Frühling“ ergötzt hat, dem dürfte das neue Meran-Logo ins Auge gefallen sein. Auffallend daran ist die Gestaltung in Kleinbuchstaben mit dem hochgestellten und unterstrichenen „o“. Das Logo ist von einer Hamburger Agentur erstellt worden, lesen wir im Wochenmagazin ff. Was die Kleinschreibung anbelangt, führt die Agentur folgende Begründung an: Kleinbuchstaben haben gegenüber Großbuchstaben einen ausgeprägten individuellen Charakter und mehr Raffinesse im Detail – beides starke Merkmale Merans.
In letzter Zeit sind kleingeschriebene Logos stark in Mode gekommen. So präsentieren sich die Tourismushochburgen „schenna“ und „dorftirol“ schlicht in Kleinbuchstaben, ebenso wie der Genussmarkt „pur“ oder die Volkshochschule „urania meran“.
In den sozialen Netzwerken bedienen sich vor allem Jugendliche der Kleinschreibung. Wer sich die Mühe gibt, auch Großbuchstaben zu schreiben, wird eher schief angesehen; er wird als „Digital Immigrant“ abgestempelt, also den Personen zugerechnet, die sich den digitalen Technologien erst im Erwachsenenalter zugewandt haben.
Kritische Zeitgenossen beanstanden, die Rechtschreibreform habe zu Verunsicherung statt zu Vereinfachung der deutschen Sprache geführt. Als ersten Schritt einer radikaleren Reform schlagen sie die Streichung der Großschreibung vor, indem sie argumentieren: „Einer sofortigen einführung steht nichts mehr im weg, zumal schon viele grafiker und werbeleute zur kleinschreibung übergegangen sind.“