Auf neuen Wegen
Konzerthighlights, Klassik-Stars und viele musikalische Überraschungen: Das südtirol festival merano.meran 2022
Der Spätsommer beginnt im Konzertprogramm des südtirol festival merano.meran mit einem prominent besetzten Liederabend. Am 1. September gastieren die weltweit gefeierte Mezzosopranistin
Magdalena Kožená – eine charismatische Künstlerin, die das Publikum bei Recitals, Konzerten und Opernaufführungen auf allen Kontinenten in den Bann schlägt – und der Pianist Yefim Bronfman im Kursaal. Auf dem Programm stehen Brahms-Lieder aus der deutschen Romantik, Modest Mussorgskys lautmalerische Miniaturen aus seiner „Kinderstube“ und Schostakowitschs satirische Romanzen nach Gedichten des russischen Schriftstellers Sascha Tschorny, der reaktionäre Spießbürger mit beißendem Hohn überzieht.
Neue Wege, neue Höreindrücke und Ausblicke in eine spannende musikalische Zukunft: Bis zum 21. September präsentiert das südtirol festival merano.meran, neben zahlreichen Weltstars, die bereits Musikgeschichte geschrieben haben, eine neue Generation, die das Erleben klassischer Musik mit innovativen und weltoffenen Interpretationen schon heute nachhaltig verändert und jetzt – zum ersten Mal – in der Kur- und Thermenstadt auftreten wird.
In der Reihe classic – dem Herzstück des Festivals – gastiert das RSB-Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter seinem Musikdirektor und künstlerischen Leiter Vladimir Jurowski mit der norwegischen Geigerin Vilde Frang in Meran und das vom Briten Robin Ticciati geführte Chamber Orchestra of Europe bringt den Schweizer Klaviervirtuosen Francesco Piemontesi mit. Am 13. September spielen im Kursaal die Academy of St. Martin in the Fields mit dem Violinisten Joshua Bell Tschaikowskys Violinkonzert und die Ouvertüre zu Goethes Trauerspiel „Egmont“, mit der Beethoven ebenso Stellung gegen den „Tyrannen“ Napoleon bezieht, wie mit seiner 7. Sinfonie, mit der dieses Highlight-Konzert glanzvoll endet.
Ein weiterer Höhepunkt folgt am 11. September. An diesem Tag leitet der walisische Komponist Sir Karl Karl Jenkins im Kursaal seine Friedensmesse. „The Armed Man“. Auf der Bühne stehen das Haydn Orchester und der Chamber Choir of Europe. Heute gehört Sir Karl Jenkins zu den erfolgreichsten Komponisten im Bereich des Klassik-Cross-Over. Sein Lied „Adiemus“ wurde 1995 zu einem Welterfolg. „The Armed Man“ ist eines der weltweit am häufigsten aufgeführten zeitgenössischen Werke geistlicher Musik. In diesem Stück verbindet der Komponist Elemente der christlichen Liturgie mit einer Textkollage, in der Kriegsdulder und Blutopfer zu Wort kommen. „Gott sei mit uns“, bittet Rudyard Kipling 1896 „vor dem Kampf“ und John Dryden, in dessen „Song for St. Cecilia“ Jenkins das Horaz-Zitat „Selig ist der, der für sein Vaterland stirbt“ wie einen Widerhaken einfügt, bläst 1687 zum Angriff. Der Hiroshima-Augenzeuge Toge Sankichi weiß es 1945 besser: Sein Gedicht „Zornige Flammen“ liefert die Beschreibung des nuklearen Schlachtens, die das indische Epos Mahàbhàrata, in dem Körper sich „als lebende Fackeln“ krümmen, eindrucksvoll vorwegnimmt. Was hilft gegen die Blutgierigen? Die Antwort ist ganz einfach: Der Frieden ist immer die bessere Option.
Das südtirol festival merano.meran ist wieder weltoffen und bodenständig zugleich: In vielen Konzerten sind Künstlerinnen und Künstler aus Südtirol zu hören, wie das junge Trio Julian Kainrath-Jakob Mitterer-Nika Afazel oder der Kammerchor Leonhard Lechner. Der Bariton Andrè Schuen singt im Kursaal Lieder von Schubert, Mahler und Korngold und der Brixner Domorganist Franz Comploi spielt in der Pfarrkirche Marling Liszt-Transkriptionen.
Im Anschluss an dieses Orgel-Konzert erinnert das Festival mit der Projektion des Videos „Seismograph“ – einer audiovisuellen Komposition mit Orgelimprovisationen zu Malereien von Reinhold Tappeiner – an den 2021 verstorbenen Musiker Dietrich Oberdörfer. Mit Schlichtheit und Entschleunigung, der Verdichtung des Tonmaterials und stilistischer Entgrenzung lässt der „Latscher Vollblutmusiker aus Meran“ einen Meditationsraum entstehen, in dem Verinnerlichung und Transzendenz möglich werden. Er war ein Großmeister an der Orgel, ein international gefragter Komponist und ein begeisterter Pädagoge. In der Stadtpfarrkirche von Meran folgt am 15. September eine weitere musikalische Hommage an Dietrich Oberdörfer mit Weggefährten aus Ensembles und Projekten wie „Katharsis“, „OteM“ oder „unio mystica“.