Der Jugenddienst Meran
Anlaufstelle für die Belange der Kinder und Jugendlichen
Es gibt ein chinesisches Sprichwort, das sagt: „Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.“ Auch die Reise der Jugenddienste in Südtirol begann mit einem ersten Schritt in den 1970er-Jahren. Leo Munter, der damalige Dekan von Taufers, erkannte bereits damals, dass sich der anbahnende Priestermangel zu allererst auf die kirchliche Kinder- und Jugendarbeit auswirken würde. Als Antwort auf die ausbleibenden Kooperatoren entwickelte er die Idee, Laien für diesen Aufgabenbereich beruflich zu engagieren. Daraufhin wurde 1979 in Sand in Taufers der „Jugenddienst Dekanat Taufers“ gegründet. Das erfolgreiche Pioniermodell machte bald Schule. Der allgemeine Startschuss für das Modell Jugenddienst erfolgte jedoch erst, als durch das Jugendförderungsgesetz von 1983 die finanziellen Rahmenbedingungen für die Gründung weiterer Jugenddienste geschaffen wurden. In den Jahren 1983 bis 1985 entstanden nach und nach in fast allen Dekanaten Südtirols Jugenddienste.
Start in Meran im Jahre 1983
In Meran wurde der Jugenddienst 1983 gegründet. Anfangs nur zur Unterstützung der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit, dann jedoch wurden im Laufe der Zeit aus finanziellen, aber auch inhaltlichen Gründen die Gemeinden, die Provinz und die Bezirksgemeinschaft mit ins Boot geholt und somit auch die offene Jugend- und Projektarbeit, d.h. Beziehungsarbeit und Aufbau von Kontakten mit den Jugendlichen vor Ort. Aus manchen Projekten wurde eine Dauertätigkeit, aus Gruppen wurden Vereine oder feste Einrichtungen, wie Jugendtreffs in den Dörfern Tirol, Marling, Obermais, Algund, Riffian/Kuens, Hafling und Schenna, Sommerprojekte am Vigiljoch und anderswo, die Streetworker vor Ort auf der Straße, der Infopoint mit Projekten, Beratungen und Netzwerkarbeit, das „Work up“ mit dem „Social Shop“ für die Arbeitseingliederung von Jugendlichen.
Jugendarbeit: anpassungsfähig, kreativ und konstruktiv
Jossi Klotzner war der erste hauptamtlich tätige Mitarbeiter in Meran. Er hat wertvolle Grundsteine gelegt, denn zu Beginn der Tätigkeit war es kein leichtes Unterfangen, auf die Notwendigkeit und den Nutzen einer solchen Einrichtung hinzuweisen. Mittlerweile gibt es 41 hauptberufliche Mitarbeiter und einen 7-köpfigen Vorstand und ehrenamtlich sind über 600 Personen im Einzugsgebiet Meran und im Burggrafenamt tätig.
Oliver Schrott leitet den Dienst seit 2002. „Der Jugenddienst Meran versteht sich als Fachstelle zur Unterstützung der Kinder- und Jugendarbeit und versucht, den Anforderungen der Jugendlichen vor Ort und in der Umgebung und aktuell mit Netzwerkpartnern gerecht zu werden. Offen – egal welcher Nation, Sprache, Einstellung, sozialen Bedürfnisse“, erklärt er in unserem Gespräch. Ziel der Jugenddienste ist es, junge Menschen darin zu unterstützen, sich zu mündigen Persönlichkeiten zu entwickeln, die selbstbestimmt und mitverantwortlich ihr Leben und die demokratische Gesellschaft gestalten. Was kommt auf junge Menschen bzw. auf uns als Gesellschaft insgesamt zu und wie sollen oder können wir als Jugenddienst damit umgehen, um weiterhin junge Menschen bestmöglich zu unterstützen? – Diesen Fragen, so Schrott, müssen wir uns tagtäglich stellen. „Unser Büro dient als Anlaufstelle für alle Verantwortungsträger, die vor Ort mit Jugendlichen arbeiten. Hierbei wird stets nach den Prinzipien der Subsidiarität gearbeitet. Die ehrenamtlich und hauptberuflich Tätigen werden auf dem jeweiligen individuellen Entwicklungsstand abgeholt und es wird ihnen die nötige Unterstützung gegeben, um die gesteckten Ziele zu erreichen“, erklärt Oliver Schrott.
Im Vorstand des Jugenddienstes Meran hat Sissi Prader den Vorsitz als Präsidentin inne.
In diesem Gremium, leider wenig bekannt in der Öffentlichkeit, geht es in erster Linie um das ganzheitliche Mitdenken, das Vorausdenken und das Entwerfen von langfristigen Konzepten für die Jugendarbeit auf Bezirksebene.
Für Sissi Prader ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit Fragestellungen zur Jugendarbeit seit 1983 ein wichtiger Bestandteil ihres Engagements. „Es ist nicht leicht, allen Anforderungen und aktuellen Anlässen gerecht zu werden,“ sagt sie. Und weiter: „Das richtige Abwägen, was Vorrang hat und wie ein Auftrag ausgeführt wird, ist immer auch eine Gratwanderung. Wenn wir neue Weg beschreiten, müssen wir natürlich auch gewappnet sein und Mut zeigen: weg von festgefahrenen Straßen und hin zu einer offenen immer wieder hinterfragten Jugendpolitik, die von unten nach oben gemacht wird.“
Verantwortungsbewusste Generation
Natürlich hat die Coronakrise die Jugendarbeit vor neue Herausforderungen gestellt. Für junge Menschen begann im März 2020 eine neue Zeitrechnung. Kontaktverlust, Strukturverlust und Angst – drei zentrale Begriffe, so Schrott, mit denen die Jugendlichen zu kämpfen hatten und haben. Fanden Online-Angebote der Jugendarbeit zu Beginn der Pandemie noch vermehrt Anklang, um die Beziehungsarbeit aufrecht zu erhalten, zeigte sich bald, dass digitale Kontakte nicht ausreichen. Dank zahlreicher kreativer Ideen ist es Oliver Schrott und seinem Team gelungen, Jugendarbeit auch in Corona-Zeiten lebendig zu halten. Insgesamt findet Schrott, mache die Jugendarbeit gerade einen großen Schritt nach vorne. Besonders die Hilfsbereitschaft der Jugendlichen in diesen schwierigen Zeiten habe ihn beeindruckt. Bereits seit einem Jahr werden wöchentlich frische Lebensmittel wie Gemüse, Brot, Milchprodukte, Obst und vieles mehr an Menschen aus Meran und Umgebung verteilt. Etwa 20 bis 25 Jugendliche unterstützen den Jugenddienst dabei freiwillig.
„Wir haben es mit einer relativ verantwortungsbewussten Generation zu tun“, betont er und nun müsse man Jugendlichen helfen, Zukunftsfähigkeit zu entwickeln, sie zu einem Teil der Lösung zu machen, es müssten Möglichkeiten geschaffen werden, junge Leute mitgestalten zu lassen. „Nehmt doch bitte die Jugendlichen ernst“, fordert der Jugendarbeiter und sagt: „Ich erlebe in meiner Arbeit, dass junge Menschen Corona sehr ernst nehmen und damit verbunden wäre es auch mein Vorschlag, ihnen mehr zuzutrauen. Es ist wichtig, dass die Gesellschaft und die Politik junge Menschen nicht aus dem Blick verlieren und auch die Jugendarbeit verstärkt in den Fokus stellen.
Für Sissi Prader ist Jugendarbeit systemrelevant für unsere Gesellschaft. Allerdings stehe oft der hohen Bedeutung der Jugendarbeit in der Gesellschaft eine unzureichende Wertschätzung und gesellschaftliche Anerkennung gegenüber. „Vergessen wir nicht“, so mahnt sie, „dass der Jugenddienst generationenübergreifend wirkt und das Verständnis für die Anliegen der jungen und älteren Menschen fördert.“