Vom Bergbauernbua zum Unternehmer
Im Winter 2020 von Waltraud Holzner
Am 7. Februar 1970 gründete Josef Schötzer in Lana eine Zimmerei. Heuer kann die Familie mit Dankbarkeit und Stolz auf fünfzig Jahre zurückblicken, in denen sich der Betrieb etabliert, vergrößert und zeitgemäß weiterentwickelt hat. Josef und Helena Schötzer sind mittlerweile Pensionisten. Sie haben den Betrieb und alles, was sie erarbeitet haben, schon an die nächste Generation abgegeben. Ihre acht Kinder sind erwachsen, alle rechtschaffen und fleißig. Auch über eine Schar von Enkelkindern können sie sich freuen.
Das Jubiläum „50 Jahre Zimmerei Schötzer“ ist Anlass, die außergewöhnliche Geschichte der Familie zu erzählen
Josefs Großvater mütterlicherseits, Franz Schwabl, hatte den Unterwegerhof in der Nähe von Mölten geerbt, konnte aber dazu überredet werden, seinen Hof gegen den kleineren Obereichholzerhof am Virberg zwischen Mölten und Vilpian zu tauschen. Mit etwa fünfzig Jahren heiratete er und wurde Vater von zwei Töchtern. Die ältere, Veronika, war dazu ausersehen, den Hof zu erben. Die junge Frau erkannte bald, dass sie unbedingt männliche Unterstützung brauchen würde, um den kleinen, uralten, vollkommen verlotterten Bergbauernhof zu sanieren.
Unter den Bewerbern um ihre Gunst wählte sie Anton Schötzer, weil er sich sogar als Taglöhner etwas Geld erspart hatte. Diese Begründung war bezeichnend für Josefs Mutter. Einerseits für ihre Vernunft, anderseits auch dafür, dass sie Tugenden wie Sparsamkeit und Fleiß hoch einschätzte.
Josefs Eltern heirateten 1940. Nach der Hofübergabe 1943 begannen sie sogleich, den Boden zu bearbeiten, um ihm mit der Zeit einen Ertrag abzuringen, der für ein bescheidenes Leben reichen sollte. Das war eine schier unlösbare Aufgabe. Wiesen und Äcker waren von Unkraut und Gesträuch überwuchert, deshalb konnte vorerst aus Mangel an Gras und Winterheu kein Vieh gehalten werden. Erst nachdem der Boden Stück für Stück wieder gerodet und Zäune aufgerichtet waren, konnte die erste Kuh gekauft werden. Die Familie vergrößerte sich schnell. Josef wurde am 22. Oktober 1946 als viertes von den sieben Kindern des Anton Schötzer und der Veronika Schwabl geboren. Josef blickt auf seine von schwerer Arbeit und vielerlei Nöten gekennzeichnete Kindheit nicht mit Bitterkeit, sondern mit Heiterkeit zurück. Seine Anekdoten sind herzerwärmend und ergreifend zugleich.
… so traten meine Schwester Susanne und ich, ausgerüstet mit dem weißen Knödelweggen unterm Arm, den Heimweg an. Der Duft von dem frischen Gebäck und unser Hunger – die Versuchung war zu groß! Wir beschlossen, nur ein ganz kleines Stück, eben nur den Zipfel vom Weggen zu kosten. „Ist ja nicht so schlimm“, dachten wir „gibt’s halt einen Knödel weniger.“ Aber der Hunger plagte uns so schrecklich und so aßen wir immer wieder ein kleines Stückchen. Als wir mit Entsetzen feststellten, dass nur mehr der halbe Weggen vorhanden war und dieser Rest für die ganze Familie nicht reichen würde, beschlossen wir tapfer, auch die zweite Hälfte zu verzehren. Wir einigten uns darauf, der Mutter zu sagen, wir hätten vergessen, das Brot zu kaufen. Natürlich glaubte uns die Mutter kein Wort. Als Strafe gab es für die ganze Familie kein Mittagessen. Da wir angeblich kein Brot gekauft hatten, mussten wir das Geld zurückgeben. Danach hatten wir beide keine Lira mehr.
Die Mutter wird als strenge, eigenwillige Frau geschildert, der Vater hingegen als gutmütig und ruhig. Wenn die Kinder etwas brauchten oder ein Problem hatten, gingen sie lieber zum Vater als zur Mutter. Oft kam es vor, dass die Familie nicht satt wurde. Wenn zu wenig Milch vorhanden war, kochte die Mutter das Mus mit Wasser und da immer zu wenig Brot im Haus war, wurde die Brotkammer zugesperrt. In Dürrezeiten waren Äcker und Wiesen braun, die Kühe wurden mager und gaben wenig Milch. Die Trockenheit hatte einen Heumangel im Winter und damit eine wirtschaftliche Notlage im kommenden Jahr zur Folge.
Die Familie war, wie damals fast die ganze bäuerliche Bevölkerung, fest in den religiösen Traditionen verhaftet. Es war ein unumstößlicher Brauch, dass zu Hause regelmäßig gebetet wurde und alle Familienmitglieder am Sonntag den Gottesdienst besuchen mussten. Auch an die Schlaneider Zwergschule hat Josef viele Erinnerungen.
… Wir schrieben mit Feder und Tinte – eine heikle Angelegenheit, denn Klekse mochte Lehrer Gummerer gar nicht. Heute gibt es Tintenlöscher, damals gab es Stöckchen.
Beim Bau eines neuen Stadels reifte Josefs Wunsch, Zimmermann zu werden. Aber nach dem Schulabschluss musste er noch drei Jahre am Hof bleiben, bis sein jüngerer Bruder kräftig genug war, die schwere Arbeit zu verrichten. In Karl Alber aus Vöran fand Josef einen strengen, aber sehr kompetenten Lehrmeister, der ihm nicht nur professionelles Wissen, sondern auch einiges an Lebensweisheit vermittelte.
… Ich als Lehrling hatte die Aufgabe, die Arbeitsstunden der ganzen Mannschaft aufzuschreiben und in der Kundenliste einzuordnen. Ich tat dies außerhalb der Arbeitszeit, erfüllte diese Aufgabe aber gerne. Für meine spätere Laufbahn als selbstständiger Handwerker war mir die Kenntnis dieser Arbeitsabläufe sehr nützlich. Auf Baustellen hatte ich Handwerker kennengelernt, die zwar tüchtig und fleißig ihren Beruf ausübten, aber schlampig beim Aufschreiben ihrer Arbeitsstunden waren. Oft kam es vor, dass diese Meister in finanzielle Schwierigkeiten hineinschlitterten. Und so hatte ich in meiner Lehrzeit auch diese nützliche Erkenntnis gewonnen: „Wer schreibt, der bleibt!“
Nach der mit einem vorzüglichen Ergebnis abgeschlossenen Lehrzeit musste Josef seinen Militärdienst ableisten. Aber noch bevor er als frischgebackener Geselle bei Toni Lobis am Ritten mit der Arbeit begann, hatte er in der Silvesternacht 1967/68 Helena kennengelernt. Es war beiderseits Liebe auf den ersten Blick, dennoch vergingen drei Jahre, bis sie endgültig zusammenfanden. Helena wollte in Ruhe ihre Ausbildung beenden. Josef tröstete sich in der Zwischenzeit mit einem rothaarigen Mädchen und gründete mit viel Unternehmergeist und begünstigt durch glückliche Umstände im Februar 1970 seinen eigenen Betrieb. Richtig bergauf ging es, als Josef endlich wieder mit seiner Helena vereint war.
Helena: „Ja, es war Sonntag. Ich wollte gerade die Straße überqueren, da sah ich Josef in einem roten Auto und neben ihm saß ein rotes Gift. Ich sah also im wahrsten Sinn des Wortes Rot. Der Anblick tat mir schrecklich weh.“
Helena und Josef heirateten im April 1972. Helena bewältigte neben der Büro- und Schreibarbeit den Haushalt. Der Betrieb wuchs und die Familie tat dies auch. Im Laufe der Zeit waren es acht Kinder, die um den Tisch saßen und oft auch noch Lehrlinge und Gesellen.