Wenn Mundtote sprechen
Im Sommer 2016 von Dr. Luis Fuchs
„Allgemein kann ich sagen, dass mir das Ganze reichlich hanebüchen erscheint“, bemerkte Johannes Fragner Unterpertinger in einer ersten Stellungnahme, nachdem die Malser Volksbefragung zum Pestizidverbot vom Gericht als unzulässig erklärt worden war. Was der Sprecher des Promotorenkomitees mit dem Begriff hanebüchen sagen wollte, hat jemand wissen wollen, und was das Wort mit „Hähnen“ oder „Büchern“ zu tun habe. Rein gar nichts, denn das Eigenschaftswort ist von „Hagebuche“, also „Hainbuche“ abgeleitet. Hagebuchenholz galt als besonders knorrig, und wenn diese Eigenschaft einem Menschen zugedacht wurde, dann stand sie für „klotzig“ oder „derb“ und auch für „unverschämt“.
So wie „hanebüchen“ hört man wohlklingende Wörter immer seltener, und manche verschwinden klammheimlich aus unserem Wortschatz. Manche Ausdrücke führen uns auch gerne in die Irre, weil wir geneigt sind, sie „beim Wort“ zu nehmen, anstatt auf ihre ursprüngliche Herkunft zurückzugreifen.
In Deutschlands oppositionellen Kreisen waren letzthin Andeutungen nicht zu überhören, es habe sich bald „ausgemerkelt“. Die Ableitung des Wortes von ausgemergelt liegt hier auf der Hand. Allerdings geht auch dieses Partizip nicht auf „Mergel“, also Ablagerungsgestein zurück, sondern auf „Mark“. Wenn jemandem das Mark aus den Knochen gezogen wird, so wird ihm die letzte Kraft genommen, er ist dann ausgelaugt und erschöpft. Aus derselben Quelle stammt auch die Redewendung „durch Mark und Bein“, die sich bereits in der Bibelübersetzung Luthers findet.
Ein mündiger Bürger darf den Mund aufmachen und seine Meinung frei von der Seele reden. Das trifft vielfach zu, doch das Wort mündig hat mit dem „Mund“ nichts gemein. Es ist vom althochdeutschen „munt“ abgeleitet, das so viel wie „Schutz“ bedeutete. Eine mündige Person ist fähig, sich selbst zu schützen und rechtlich zu vertreten. Eine minderjährige oder entmündigte Person ist dementsprechend ein Mündel, das gesetzlich der Sorge eines Vormundes unterstellt ist. Wenn von einem mundtoten Menschen die Rede geht, denkt man gleich, er könne nicht sprechen, wäre also ein Stummer. Dem ist keineswegs so, denn auch hier liegt die Wurzel „munt“, also „Schutz“ zugrunde. Einem Mundtoten fehlt also der Schutz, er ist unfähig Rechtshandlungen vorzunehmen. Erst seit dem 19. Jahrhundert ist die Wendung „mundtot machen“ geläufig und ist gemeint im Sinne von „zum Schweigen bringen“, „nicht zu Wort kommen lassen“.