Erfahrungsbericht eines Covid-19 Überlebenden (10)
Im Frühling 2021 von Leo Matzneller
Wieder zu Hause
Am 5. August brachte mich das Weiße Kreuz zurück nach Hause. Meine Familie empfing mich mit Freude. Endlich sah ich meine Enkel wieder. Anfangs konnte ich das Haus noch nicht verlassen, weil ich an die Sauerstoffflasche gebunden war. Als wir ein tragbares Sauerstoffgerät beschafft hatten, ging ich gleich in die Stadt zur Messe. Bald auch ohne Sauerstoff. Ein Stück Normalität war damit zurückgewonnen. Natürlich musste ich meine Muskeln trainieren, ich ging auf dem Balkon auf und ab, übte wie empfohlen das Treppensteigen und fuhr mit therapeutischen Übungen fort.
Heißhunger nach Freundschaft
Während des langen Aufenthalts in den Krankenhäusern von Meran und Brixen lernte ich eine Reihe von Pflegefrauen kennen. Ihr Einsatz beeindruckte mich sehr. Ich war zuvor ja fast nie im Krankenhaus gewesen. Das war eine neue Welt für mich. Ich war in echter Not, und diese Frauen, nicht gerade alle, aber die meisten, behandelten mich (und die anderen Kranken wohl auch) mit ausnehmender Freundlichkeit. In ihrem Tun war etwas Heiliges. Heilige Frauen, Engel von Menschen, dachte ich oft. Und es wuchs in mir das Verlangen, mit ihnen für immer in Verbindung zu bleiben, eine tiefe, lebenslange Freundschaft zu schließen. Drei von ihnen kontaktierte ich bald nach der Rückkehr, wir trafen uns zum Pizzaessen, und die Freundschaft war besiegelt. Inzwischen ist sie gewachsen und nicht mehr wegzudenken. Keine von ihnen hatte ich je zuvor gesehen. Ein ganz neues, ein beinahe aufregendes Leben!
Achtsamkeit gegenüber Pflegenden und Kranken
In meinem täglichen Denken und Tun haben jetzt die Pflegenden und die Kranken einen fixen Platz. Den Pflegenden bin ich dankbar und will es bleiben. Die Kranken haben mein Mitgefühl, habe ich doch am eigen Leib erfahren, was es heißt, schwer krank zu sein und total hilfsbedürftig. Das solidarische Gebet für sie alle gehört nun zu meinem täglichen ‚Tagespensum‘. Ich versuche, auch andere dazu zu bewegen. Pflegende wie Kranke brauchen mehr Wertschätzung und Aufmerksamkeit.