Der Scharfrichter
Vom Lehrling zum Meister
Im Herbst 2014 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Der Scharfrichter, dessen Tätigkeit den unehrbaren Berufen zuzuordnen ist, musste mit seiner Familie außerhalb der Stadtmauern wohnen. Auch durfte er nach seinem Ableben nicht auf dem ortsüblichen Friedhof bestattet werden. Diese soziale Isolation führte dazu, dass der Beruf des Henkers bzw. Scharfrichters vielfach vom Vater auf den Sohn übertragen wurde. Somit begann die Lehre in der Henkersfamilie sehr früh. Das Meisterstück wurde durch eine tadellos durchzuführende Enthauptung vorgeführt, oft schon mit 16 Jahren. Dies setzte natürlich ein intensives Üben voraus und zwar durch praktisches Handeln, das vor allem an Tieren wie Kälber und Hunden vollzogen wurde.
Über die Tauglichkeit eines Bewerbers entschieden seine Ausbildung und das Meisterstück. Als sich der Sohn des Haller Scharfrichters Johann Jakob Abrell beispielsweise um eine Meisterstelle in Meran bewarb, musste er zunächst sein Meisterstück bei drei Probehinrichtungen in Innsbruck und Bozen nachholen. Nach der erfolgreichen Ablegung des Meisterstückes bekam der junge Abrell seinen Meisterbrief und hatte somit seine Ausbildung abgeschlossen. Er bekleidete die Meraner Stelle von 1723 bis 1728.
Neben dem Töten eines Angeklagten musste ein Scharfrichter auch das Foltern beherrschen und zwar so, dass der Verurteilte nicht unter seinen Händen verstarb. Zudem sollte er über die physische Verfassung des Übeltäters Bescheid wissen und dies bei peinlichen Befragungen zuvor zu Protokoll geben. Die Richter wollten nämlich sichergehen, dass bevorstehende Torturen nicht zum Tode des Delinquenten führen konnten.
Bei Verstümmelungsstrafen musste ein Scharfrichter nach dem Strafvollzug dafür sorgen, dass die Wunden richtig verbunden wurden. Der Vollstrecker sollte in jedem Falle sehr gute Kenntnisse über die Anatomie des Menschen haben. Außerdem benötigte er handwerkliches Geschick und musste über eine gute Konstitution verfügen. Denn bei einer Enthauptung war es äußerst schwierig, mit einem Hieb zwischen zwei Halswirbeln sicher zu treffen, da die große Kraft, die er zum Ausholen brauchte, wiederum das Zielen erschwerte.