Die Scharfrichter von Meran
Im Herbst 2014 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Die Grafschaft Tirol war seit dem späten Mittelalter in eine Unzahl größerer und kleinerer Gerichtsbezirke aufgesplittert, die, bis auf wenige Ausnahmen, das Eigentum des Landesfürsten waren und zu seinem Kammergut zählten. Grundsätzlich wurde dabei zwischen Nieder- und Hochgerichten unterschieden, wobei letzteren der Titel Landgericht vorbehalten war: Im Bereich des Zivilrechtes hatten Nieder- und Hochgerichte dieselben Kompetenzen. Die qualitative Grenze zog seit alters das Strafrecht, aufgrund dessen das Malefizgericht über Körperstrafen, Verbannung oder Todesstrafe entschied.
Die Malefiz- oder Halsgerichtsordnung sah verschiedene Hinrichtungen vor, wie beispielsweise das Enthaupten mittels eines Richtschwertes, das Erhängen mit einem Strick am Galgen, das Verbrennen usw.
Sogenannte Schubgerichte, die lediglich die Niedere Gerichtsbarkeit ausübten und z. B. keine Todesstrafen verhängen durften, waren ab dem 13. Jh. dem Landgericht Meran untergeordnet und zwar Schenna, Burgstall, Vorst, Kastelbell, Passeier, Ulten, Lana, Marling (Stein) und Tisens. Gargazon und Mölten wurden seit dem 15. und 16. Jh. dem Landgericht inkorporiert.
Es ist zudem überliefert, dass in der gesamten Grafschaft Tirol jeweils ein Scharfrichter tätig war. Von den beiden letzten weiß man, dass sie in Meran und Bozen wohnten. In Meran ist bekannt, dass der Scharfrichter, der auch Züchtiger, Henker, Freymann u. a. genannt wurde, zuoberst im Steinachviertel wohnte, also am Stadtrand, gleich neben dem 1449 geschaffenen Frauenhaus. Ab 1488 wurde er von den Zollerträgen an der Töll, unterhalb von Partschins, bezahlt. Ab 1497 ist ein erster Henker für Nordtirol, Lienhard Grätz, mit Sitz in Hall bekannt. Der Haller Scharfrichter war ab 1723 auch für Lienz und ab 1738 zudem für Sterzing zuständig. Der Meraner Henker wirkte in Süd- und Osttirol und zeitweise auch im Engadin, allerdings mit Ausnahme der bischöflichen Gerichte von Brixen und Trient.
Für das Verrichten seiner Tätigkeit bekam ein Henker in etwa 35 Gulden vergütet. Die Summe ergab sich aus verschiedenen Berechnungen wie Grundgehalt, Hinrichtungsgebühr, Vierteilen oder Pfählen, Kettengebühr beim Hängen, Verbrennen der Toten, Brandmarken, Bestatten, Wegmeilen, einer Handschuhgebühr usw. Bei der Handschuhgebühr handelte es sich weniger um das eigentliche Utensil als mehr um ein Symbol des Aberglaubens, da des Henkers Hände, die ja eine unehrbare Tätigkeit vollbrachten, als etwas Schreckliches galten. Wohl deshalb trug der Henker häufig Handschuhe.