Die Leistlinge: Pfifferlinge, Herrennagelen & Co.
Teil 1
Die Leistlinge sind eine Pilzgruppe, die unter diesem Namen wohl kaum bekannt sind, von der aber einzelne Arten, wie zum Beispiel die Pfifferlinge, jeder kennt.
Was unterscheidet diese Pilzgruppe von den anderen Pilzen?
Die Leistlinge gehören zu den Aphyllophorales, den sogenannten Nichtblätterpilzen. Diese Pilze weisen auf der Hutunterseite keine Blätter bzw. Lamellen auf. Das Hymenium, die Fruchtschicht, welche die Sporen bildenden Organe trägt, ist bei den Leistlingen glatt und weist lediglich einzelne Falten bzw. Leisten auf. Daher die Bezeichnung Leistlinge.
Was wir an der Hutunterseite eines Pfifferlings sehen, sind keine Lamellen, sondern Falten des Hymeniums bzw. Leisten. Diese Tatsache ist bei einigen anderen Leistlingen, wie zum Beispiel bei den Herrennagelen oder den Totentrompeten deutlicher zu erkennen.
Leistlinge unterscheiden sich, zusammen mit einigen anderen Pilzfamilien, auch noch durch eine andere Eigenschaft von den meisten Pilzen – durch ihre Zellstruktur. Bei Steinpilzen vermehren sich die Zellen lediglich in der frühen Jugend, dann werden diese Zellen nur noch größer, sie blasen sich auf bzw. füllen sich mit Wasser. Leistlinge haben dagegen die Fähigkeit, ihre Zellvermehrung bis zu ihrem natürlichen Tod weiterzuführen. Dies bedeutet, dass ihre Zellen kleiner bleiben.
Die Auswirkung dieser Eigenschaft lässt sich in der Natur leicht nachvollziehen. Wächst ein Steinpilz neben einem kleinen Ast, so wird er diesen verschieben, wenn er heranwächst. Ein Pfifferling dagegen wird um das Ästchen herumwachsen und es in den Fruchtkörper einbinden. Dies ist nur möglich, wenn sich neue Zellen bilden, die dieses Hindernis umschlingen.
Die Tatsache der ständigen Vermehrung der Zellen bei Leistlingen hat zur Folge, dass diese, verglichen mit anderen Pilzen, bei gleicher Pilzmenge viel mehr Zellwand aufweisen. Dies bedeutet, dass sie wesentlich „härter“ sind. Auch das ist leicht nachvollziehbar. Während die meisten Pilze von kleinen, weißen Würmchen „bewohnt“ werden, ist das bei Pfifferlingen zum Beispiel nie der Fall; ihre Zellstruktur ist zu hart für diese kleinen Würmchen. Es kann aber sein, dass man in Pfifferlingen einen einzigen großen, gelben Wurm findet, der genug Kraft besitzt, um ihre Zellstruktur zu „knacken“.
Ein weiter Beweis für die höhere Dichte des Fleisches der Leistlinge ergibt sich beim Kochen derselben. Während fast alle Pilze beim Kochen „schwinden“, bleibt die Pilzmenge der Pfifferlinge fast unverändert. Diese durchaus positive Erscheinung für unsere Teller hat aber auch einen unangenehmen Nebeneffekt – Pfifferlinge sind schwerer verdaubar als andere Pilze, da der Magen eine größere Menge an Zellwand abbauen muss. Deshalb raten wir als Pilzverein vom Verzehr größerer Pilzmengen am Abend ab, insbesondere wenn es sich um Leistlinge handelt. Es könnte dann nämlich durchaus sein, dass die folgende Nacht aufgrund starker Magenbeschwerden eher unangenehm verläuft.