Das Villnösser Brillenschaf
Eintauchen in die Welt der genussreichen Lebensmittel unseres Landes
„Mit regionalen Produkten das authentische Südtirol wiederfinden“, lautet der Vorsatz der drei Maturanten der Landeshotelfachschule Kaiserhof – Nathalie Volgger, Michael Ranalter und Matteo Facheris –, die Einheimische und Gäste einladen, eine Wiederentdeckungsreise rund um das Villnösser Brillenschaf zu unternehmen. Die Projektarbeit zum Thema „Graues Geisler Rind“ und insbesondere zum „Villnösser Brillenschaf“ soll die Wertschätzung und die Bewahrung heimischer Produkte und Spezialitäten in den Vordergrund stellen.
Historisches
Schafe gehören zu den ältesten Haustieren der Welt. Sie sind bis heute wichtige Milch-, Woll- und Fleischlieferanten. Das Villnösser Brillenschaf ist Südtirols älteste Schafrasse und entstand im 18. Jahrhundert aus einer Kreuzung zwischen dem Bergamasker- und dem Paduaner Seidenschaf, die beide in Norditalien beheimatet sind. Im Dolomitenraum vermehrte sich das Villnösser Brillenschaf vom 18. bis in das frühe 20. Jahrhundert sehr stark. Als Nebenerwerb wurde damals von fast jedem Bergbauern Schafhaltung betrieben. Vergleicht man z.B. den Schafbestand in Villnöß von 1950, als man ungefähr 2.500 Stück zählte, mit heute, wo noch ungefähr 450 Stück gehalten werden, so kann man erkennen, wie wichtig die Schafhaltung damals war. Das Villnösser Brillenschaf war nicht nur wegen seiner speziellen Wollqualität, sondern auch wegen seiner hochwertigen Fleischqualität geschätzt. Seine feine Faserung war bei den Metzgern sehr beliebt.
Nach Auskunft alter Villnösser Bauern wurde dieses Schaf früher auch „Petschor“ genannt. Die typische Zeichnung um die Augen und an den Ohren stammt vom Seidenschaf und vom Kärntner Brillenschaf. Da früher große Schafherden zum Verkauf über die Alpen getrieben wurden, blieben kleine Bestände zurück, die sich mit heimischen Landrassen kreuzten. In Südtirol sind die Brillenschafe zwar weniger als früher verbreitet, aber sie erleben wieder einen langsamen Aufschwung. Insgesamt zählt man derzeit 1.700 Stück, davon befinden sich 1.000 Tiere in Herdbuchbetrieben und etwa 700 Tiere nicht in Herdebuchbetrieben.
Kleine Restbestände des Brillenschafs gibt es auch außerhalb des Landes, so in der Schweiz, in Bayern und in Österreich. Die größte Herde außerhalb Italiens hat der Brillenhersteller Marke Fielmann in Deutschland, sie umfasst 150 Tiere.
Das Schaf mit den schwarzen Ringen
Das Villnösser Brillenschaf ist ein kräftiges, mittelgroßes und hornloses Schaf mit einer breiten Brust. Die Schultern sollten gut bemuskelt sein, der Rücken gespannt, breit und rund. Das Becken sollte lang und breit sein und nicht zu stark abfallen. Der Kopf ist das Hauptcharakteristikum des Villnösser Brillenschafes. Er ist reinrassig, besonders bei den männlichen Tieren (Widdern).
Das Villnösser Brillenschaf ist von den Knien bis hinter den Kopf schlichtwollig behaart. Schlichtwollig bedeutet, dass dickere und längere Deck- und Grannenhaare in einem idealen Verhältnis zu den feinen und dünneren Woll- und Flaumhaaren stehen. Dabei wird zwischen drei Farbschlägen unterschieden: das braune, das schwarze und das gezeichnete Villnösser Brillenschaf. In der Regel liegt das Gewicht eines einjährigen Schafes bei ca. 60 kg. Es zeichnet sich durch seine harten Klauen und eine sehr gute Trittsicherheit aus. Darüber hinaus besitzt das Schaf eine gute Anpassungsfähigkeit in regnerischen Bergregionen. Außerdem ist es sehr fruchtbar und verfügt über einen ausgeprägten Mutterinstinkt. Die Schafe sind sehr milchreich. Das Erstlammalter beträgt ca. 15 Monate und die Zwischenlammzeit beträgt ungefähr 200 Tage.
Rassenwahn und Aufzucht
Bevor sich der Nationalsozialismus in Europa ausbreitete, waren die Brillenschafe für die Alpenbevölkerung sehr bedeutend und fast jeder Bergbauer betrieb Schafhaltung. Doch dann verlor sie mehr und mehr an Bedeutung.
Zur Zeit des Nationalsozialismus glaubte man, man müsse die Schafrassen aus Zuchtgründen reduzieren. Dies hatte zur Folge, dass das Villnösser Schaf mit der Bergschafrasse gekreuzt wurde. Dadurch wurde es nahezu totgezüchtet und um ein Haar wäre es dem Rassenwahn dieser Zeit zum Opfer gefallen. Auch in Villnöß gab es damals nur noch neun Schafhalter, die sich dieser Rasse annahmen. Trotz einer Vereinheitlichung der Zuchtkriterien aller Rassen im Alpenraum zu einer einzigen Rasse in den 1930er- bis 1940er-Jahren konnte das Villnösser Brillenschaf in den Dolomitentälern überleben. In den 1980er-Jahren wurden verschiedene Schafzuchtvereine gegründet, die sich den Erhalt und die Zucht der Villnösser Schafe zum Ziel setzen. 1989 wurde es schließlich als eigenständige Rasse anerkannt, die offizielle Registrierung in Brüssel erfolgte jedoch erst in den 1990er-Jahren. Seit 1999 wird die Erhaltung der Rasse von der EU finanziell gefördert.
Eigenschaften des Fleisches
Das Fleisch des Villnösser Brillenschafes ist reich an Vitaminen, besonders Vitamin A und Vitamine der B-Gruppe, sowie einige Mineralien, die sich insbesondere in den Innereien befinden. Das Villnösser Brillenschaf besitzt auch einen Schutzmechanismus, die Orotsäure, welche das Tier vor der Entstehung von bösartigen Geschwülsten (Tumore) bewahrt.
Diese Orotsäure ist im ganzen Körper vorhanden, vor allem in der Leber, der Milz und im Herzen. Wegen des Gehalts dieser Orotsäure und der essenziellen Vitamine wird besonders von Ernährungswissenschaftlern der Genuss von Lamm- und Schaffleisch empfohlen.