Kloster Wessobrunn
und seine Besitzungen im Burggrafenamt
Im Frühling 2023 von Dr. Elfriede Zöggeler-Gabrieli
Über die Gründung des oberbayrischen Klosters Wessobrunn ist nichts bekannt, da es keine eigentliche Gründungsurkunde gibt. Es bestehen aber zahlreiche Hypothesen, die vor allem auf einer überlieferten Gründungslegende basieren. Demnach verdankt es sein Bestehen einer Schenkung des letzten bayrischen Herzogs Tassilo III., die Mitte des 8. Jahrhunderts stattgefunden haben soll. Erste Quellen über das Kloster verbrannten wohl 955 bei der Zerstörung Wessobrunns durch die Ungarn. Nach der Absetzung Tassilos im Jahre 788 wurde Wessobrunn zum Reichskloster und gehörte zum Bistum Augsburg. Als solches verfügte es, gleich anderen bayrischen Klöstern wie Weingarten, Polling, Steingaden, Scheftlarn, Tegernsee usw., über Nah- und Fernbesitz, den es einerseits erwarb und andererseits edlen Spendern verdankte.
Auch in Südtirol verfügte das Kloster Wessobrunn über Fernbesitz, wie Höfe, Wiesen und Weinberge.
So ist überliefert, dass zwischen 1100 und 1127 die Brüder Adalbert und Reinbert von Rott unter anderem ein Gut in Riffian und im Jahr 1181 auch Graf Heinrich von Tirol dem Kloster je einen Weinberg in Dorf Tirol und Riffian als Seelgerät übertrugen. Spätestens 1332 besaß es zudem die Höfe Tschaupp und Remp in Riffian. In Gries, Meran, Mais und Nals verfügte Wessobrunn vor allem über Weinberge und Wiesen, von denen die Zinsleistungen – meist in Form von einer gewissen Anzahl von Yhrn Wein (Yhrn = Tiroler Flüssigkeitsmaß à ca. 58 Liter) oder einer Summe Gulden – abgegolten wurden. Selbst in Lana gehörten dem Kloster Weinberge und Höfe [Über seine Besitzungen in Lana siehe: Elfriede Zöggeler Gabrieli, Kloster Wessobrunn und seine Besitzungen in Lana, in: Lanablatt, 9/2022, S. 30–31]. Aber auch Quellen über Besitztum der Benediktinermönche in Gratsch bei Meran sind überliefert. Sie zeugen unter anderem von einem Mairhof, von Grundstückskäufen, Abgaben, Streitigkeiten usw. Ein großes Weingut samt Gebäude wurde alsbald mit dem gleichen Namen des Klosters in Bayern bezeichnet. Der Besitz in Gratsch hatte für das Stammkloster Wessobrunn solche Bedeutung, dass sich nicht nur Ökonome, sondern auch seine Äbte häufiger dort aufhielten. Es war sicherlich das angenehme Jahresklima samt mildem Winter diesseits der Alpen, das einerseits zum Erholen einlud und andererseits für gute Erträge im Weinbau sorgte. Der Wein musste jedoch auf beschwerlichem Samerweg mit Pferden über den Jaufen zum Stammkloster transportiert werden.
Überliefert ist weiters, dass vom Hof zu Gratsch Pfarrer Greymolt von St. Peter bei Schloss Tirol und seine beiden Söhne im Jahre 1327 als Leibgeding 4 Yhrn Wein geben mussten. Außerdem stiftete er 1330 dem Kloster eine Torkel neben dem Wessobrunner Hof in Gratsch, von deren Einkünften an jedem Samstag eine Seelenmesse für ihn in der Marienkapelle gehalten werden sollte. 1359 betrugen die Einkünfte aus dieser Kelter 5 Pfund Berner Pfennige, die der Oblay [Oblat /Oblay oder Malgrey bezeichnete früher einen Teil einer Gemeinde] zustanden, während 1443 die Einkünfte mit 12 Yhrn Wein und 7 Pfund Berner Pfennigen angegeben werden.
In den Überlieferungen wird diese Kapelle u.a. explizit im 18. Jahrhundert erwähnt, als Abt Beda von Bischof Johann Anton von Chur 1756 sogar die Erlaubnis erteilte, in der Gratscher Kapelle mit einem tragbaren Altar die Messe zu feiern; ausgenommen waren lediglich die Sonntage und die Feiertage der 1. und 2. Klasse, wie beispielsweise Weihnachten, Ostern, Pfingsten oder Maria Lichtmess, Maria Geburt usw.
Spätestens seit Beginn des 16. Jahrhunderts ist ein zweiter Hof in Gratsch nachweisbar, der für das bayrische Kloster Reben anbaute und Wein produzierte. Um den Weintransport dieses Gutshofes kam es 1524 zu Streit mit der Stadt Hall in Tirol, der so beigelegt wurde, dass Wessobrunn dafür keinen Zoll, sondern lediglich jährlich 50 Renken [Fischart], dazu im Jahre 1524 einmalig ein Wildschwein an die Haller bzw. ihre Zöllner zu liefern hatte. 1530 wurde der Erlös aus dem Wessobrunner Etschwein in der Höhe von 51 Gulden für die landesherrliche Türkensteuer verwandt. 1583 und 1589 wurden die beiden Gratscher Gutshöfe durch Zukäufe erweitert, 1699 und 1716-1719 folgten weitere Erwerbungen von Weinbergen, Gütern und dem Wasserrecht aus einer Quelle, bevor 1721 zwei große Weinberge, der Lanacker und die Praidte, für 4.800 Gulden hinzukamen. 1725 erwarb Wessobrunn vom Kloster Stams den Weinzehnten bei St. Peter und erhielt auch die zu diesem Besitz gehörigen Dokumente, 1731 erwarb das Kloster noch weitere Güter bei Meran. Nachdem es zwischen den Klöstern Stams und Wessobrunn immer wieder Streit um die Zehnten in Gratsch gab, wurde versucht, diesen 1752 durch einen Vertragsabschluss zu beenden.
Das Kloster Wessobrunn hatte aber auch Differenzen mit den Vertretern der Stadt Meran. So kam es zum Beispiel wegen ausstehender Grundzinse aus Gütern in Gratsch 1749 zu einer Steuerklage der Stadt Meran gegen Wessobrunn.
Die Verwalter des Gutshofes Wessobrunn verstanden es aber weiterhin, den Besitz in Gratsch zu vermehren. 1767 kam das recht umfangreiche sogenannte Stamsergut oder Gassengut für 5.500 Gulden und 1.000 Gulden Zehntablösung dazu. 1789 schloss das Kloster mit dem Wirt zum Goldenen Adler in Meran einen Vertrag über die Abnahme des Weins aus Gratsch, damit er nicht durch zu lange Lagerung zu Essig würde.
Im Kataster von 1779 sind drei größere Güter und mehrere kleine Besitzungen verzeichnet, die zusammen auf 9.648 Gulden 27 Kreuzer Wert geschätzt werden. Um 1800 besaß Wessobrunn noch zwei große Weingüter, den Glatzenhof und das Gassengut, von zusammen rund 22 Tagwerk, deren Ertrag 1801 etwa 7.900 Maß Wein ausmachte.
Der Gutshof Wessobrunn samt umliegenden Weingütern kam bald darauf in bürgerliche Hände und wechselte daraufhin mehrmals den Besitzer. Unter anderem ging er 1803 an die Gräfin Bentinsk, geborene Wedel aus Thüringen und unter der faschistischen Besatzung Südtirols wurde der Gutshof Wessobrunn vom italienischen Staat eingezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte er in den Besitz der Familie Mair, die 1972 mit einem Umbau zu einer Ferienpension begann. Seit 1976 wird das inzwischen mehrmals erweiterte Anwesen als Hotel Wessobrunn geführt. Über all die Jahrhunderte hinweg haben sich – neben dem Weinbau, der rings ums Hotel sichtbar ist – einige bemerkenswerte Artefakte erhalten: Ein Marienfresko, neben dem ehemaligen Haupteingang, ein Fresko des 13. Abts B. Waltho (Johann Georg) Pambler (1740–1769), diverse spätgotische und barocke Holztüren sowie eine Schriftrolle, die in einem Türknauf aufbewahrt wird.