Schuldenorientiert statt zukunftsorientiert
Im Herbst 2018 von Dr. Luis Fuchs
Die Berufung des ehemaligen Carabinieri-Generals Sergio Costa zum Umweltminister entspreche dem stark „umweltorientierten“ Kurs der Fünf-Sterne-Bewegung, mutmaßten die „Salzburger Nachrichten“. Die Kunden würden „marktorientiert“ beraten, versichert der Raiffeisenverband Südtirol. Als „erlebnisorientiert“ bezeichnet sich die Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung von Kortsch.
Das Vermögen, Wörter zusammenzufügen, ist eine vorrangige Eigenschaft der deutschen Sprache; die so gebildeten Komposita zeichnen sich durch ungeahnte Bedeutungsvielfalt aus. Das Rezept ist ein einfaches: Man nehme ein Schlagwort, beispielsweise „Praxis“, füge „orientiert“ hinzu und das neue Wort „praxisorientiert“ ist herbeigezaubert. Sicher können missfällige Wortgebilde resultieren: „Frösche und Kröten sind derzeit fortpflanzungsorientiert unterwegs“, vermeldete im Frühjahr Radio Bayern. „Bürgereinkommen“ für alle hat die Fünf-Sterne-Bewegung den Wählern versprochen. Folglich wird das Haushaltsgesetz der Regierung wohl etwa „defizitorientiert“ ausfallen; hoffentlich entpuppt es sich nicht gar als „bankrottorientiert“!
„Neologismen“, also Wortneuschöpfungen, werden vielfach durch Zusammensetzung von bisher gebräuchlichen Wörtern gebildet. Die Wirkung „proaktiver“ Lebensmittel sei nicht unbedingt bewiesen, liest man in einschlägigen Ernährungszeitschriften. Die Welt müsse „proaktiv“ werden, um sich auf die Herausforderungen durch den Klimawandel einzustellen, fordert das amerikanische Ames-Forschungszentrum. Doch was sollen wir uns unter dem Begriff „proaktiv“ vorstellen? Wörtlich übertragen bedeutet der Ausdruck „im Voraus wirkend“ und „vorausschauend“. Oft wird das Wort auch floskelhaft und inhaltsleer verwendet, suggeriert auch körperliche Leistungsfähigkeit wie bei der Margarine „Becel Pro Activ“.