Carmen Müller
Von Gärten, Pflanzen und Menschen
Im Winter 2021 von Eva Pföstl
Gärten und Pflanzen sind die Passion der Südtiroler Künstlerin Carmen Müller. Zum einen ist sie selbst leidenschaftliche Gärtnerin. Sie baut in ihrem Garten Nutz- und Zierpflanzen an, verarbeitet diese, verwendet sie als Heilmittel oder genießt die „Früchte“ und hat sich ein umfangreiches botanisches Wissen angeeignet. Zum anderen erkundet sie als Gartenforscherin seit vielen Jahren die unterschiedlichsten Arten von Gärten – private Haus- und Schrebergärten, Gemeinschafts- und Hofgärten, Kloster- und botanische Gärten. Bereits 2009 zeigte das Museion Bozen mit „Notizen aus Gärten“ eine umfassende Werkschau der Künstlerin zu dieser Thematik, die auf den jahrelangen Erkundungen von Gärten in Südtirol aufbaute. Seither hat Carmen Müller ihre Feldforschungen ausgedehnt und sich mit Gärten rund um Oldenburg, in Castasegna oder im Benediktinerkloster St. Johann in Müstair auseinandergesetzt. In Glurns realisierte sie im Rahmen eines Stadtentwicklungsprojekts gemeinsam mit engagierten Bewohnern und Bewohnerinnen einen Gemeinschaftsgarten, der zu einem generationsübergreifenden Raum des Austauschs von Erfahrungen und Lernprozessen rund um den Gartenbau wurde.
Die Ausstellung „Von Gärten, Pflanzen und Menschen“ ist bis 30. April in Innsbruck im „aut. architektur und tirol“, dem Tiroler Architekturzentrum, zu sehen.
Link zur Ausstellung: aut.cc/ausstellungen/carmen-mueller
Wir haben die Künstlerin, die in Meran wohnt, um ein Interview gebeten.
MS: Frau Müller, Gärten und Pflanzen sind Inspirationsquellen Ihrer Arbeit. Woher kommt diese Leidenschaft?
C. Müller: Seit Jahrzehnten konzentriert sich meine künstlerische Arbeit auf Recherche und Reflexion, Erkennen, Benennen und Erinnern in den Gärten meines Umfeldes, in den Gärten und Landschaften an anderen Orten. In Wien ging ich ins Palmenhaus oder in Berlin in den Tierpark oder ich verweilte in griechisch/türkischer Landschaft, um mich von der Stimmung des Ortes und der Pflanzenwelt einfangen zu lassen.
MS: Welche Rolle spielt für Sie persönlich Ihr Garten?
C. Müller: In meinen Wohnorten gab es stets einen Garten, der für mich eher ein Versuchsfeld ist, wo ich Blühendes und Essbares anpflanze und es in all den Wachstumsstadien mit allen Begleiterscheinungen beobachte.
Die Auseinandersetzung mit Gärten bringt verschiedene Disziplinen zusammen: Malerei, Zeichnung, Fotografie; Sprache, Poesie; Botanik, Kräuterwissen und Kulinarik. Es entsteht ein Geflecht von Bezügen, wo das Leben mit der Kunst verschmilzt.
MS: Welche anderen Projekte haben Sie bisher realisiert und was für eine besondere Arbeitsweise haben Sie da entwickelt?
C. Müller: Seit meiner Ausstellung im Museion in Bozen „Notizen aus Gärten“ im Jahre 2009 setze ich mich intensiv mit dem Thema „Reisen in den Gärten der anderen“ auseinander. Ich werde eingeladen, an verschiedenen Orten künstlerische Projekte auszuführen, die es mir ermöglichen, Ausschau in Schreber-, Privat- und Gemeinschaftsgärten und Parks zu halten. Ich suche das Gespräch mit den jeweiligen Gärtnerinnen und Gärtnern, um mir über ihre persönlichen Erfahrungen mit Nutz- und Zierpflanzen, Bäumen, Nützlingen und Schädlingen erzählen zu lassen. Nicht umsonst heißt es in einem Zitat „Im Garten lässt sich die Welt als Modell betrachten“.
Es ist für mich jedesmal ein Abenteuer, diese Art von Entdeckungsreise zu unternehmen. Das Ergebnis der jeweiligen ortsbezogenen Recherche wird anschließend in Ausstellungen (und Publikationen) gezeigt.
MS: Wie beeinflusst Ihr Künstlerdasein Ihren Blick auf die Welt?
C. Müller: Es geht um die intuitive sinnliche Erfahrung des Umfeldes, es geht um den offenen Blick für alles, was dich umgibt. Alltagsbeobachtungen können etwas in Gang setzen. Frei nach Oscar Wilde „Es braucht Künstler, um die Poesie des Nebels zu entdecken, die im Herbst durch die Großstadtstraßen zieht“. In der künstlerischen Auseinandersetzung geht es darum, das Leben auf eine höhere Ebene zu bringen.
MS: Glauben Sie an so etwas wie eine „weibliche Kunst“?
C. Müller: Der Geschlechterunterschied wird in allen Sparten der Kultur bedeutungslos werden. Die Präsenz von weiblichen Kulturschaffenden in der Öffentlichkeit nimmt ständig zu, heute hat Kunst von Frauen Hochkonjunktur.
MS: Wie erleben Sie die aktuelle Corona-Krisen-Situation? Können Sie der Lage nur Negatives abgewinnen oder auch etwas Positives?
C. Müller: Im künstlerischen Bereich kann man mit der Situation Des-sich-Zurückziehens gut umgehen, man arbeitet einfach weiter. Was ich jedoch bedaure, ist, dass meine aktuelle Ausstellung in Innsbruck zeitweise nicht zugänglich war. Die Zusage, dass die Ausstellung verlängert wird, stimmt mich optimistisch, denn Kunst braucht ein Publikum für den kulturellen Dialog.
Man kann nur hoffen, dass die Stilllegung des gesamten Kulturbetriebs nicht mehr allzu lange dauert, denn die Menschen sehnen sich nach Kultur.
MS: Sie leben seit fast 40 Jahren mit dem Künstler Manfred Alois Mayr zusammen. Hat sich Ihre individuelle künstlerische Arbeit stets gut verbinden lassen oder sind Sie manchmal auch in Konflikt geraten?
C. Müller: Manfred und ich kennen uns seit der Studienzeit. Wir haben das Privileg, dass wir beide viel Raum und Platz zum Zurückziehen haben. Bei uns steht die künstlerische Tätigkeit im Vordergrund und es ist spannend, zu sehen, wie wir uns in all den Jahren individuell weiterentwickelt haben.
Ich finde diese Konstellation optimal, da es ein gegenseitiges Verständnis und Einfühlungsvermögen für die jeweilige künstlerische Tätigkeit gibt.
MS: Danke für das interessante Gespräch!