Ein Autonomiefest zum Daddeln
Im Sommer 2022 von Robert Asam
Wo feiert man 50 Jahre Südtirol-Autonomie? Natürlich in Meran. Nicht wegen Meran, sondern wegen des Kurhauses, das bedeutenden Anlässen einen gebührenden Rahmen bietet. Und dann sitzen die wichtigen und weniger wichtigen Festgäste im Saal und daddeln auf ihren Handys herum. Egal, ob gerade jemand spricht oder das Haydn-Orchester für eine musikalische Ohrenschmauspause sorgt, es wird getippt, gelesen und dem Nebenmann oder der Nebenfrau unter die Nase gehalten. Schau mal! So gesehen hätte man eigentlich auf Festreden und Musik verzichten und zu einem autonomen Daddel-Treff einladen können. Wäre aber schade gewesen, denn abgesehen von der großartigen musikalischen und gesanglichen Umrahmung haben einige Festredner nicht nur geredet, sondern hatten auch etwas zu sagen. Der Präsident der deutschen Volksgruppe Ostbelgiens zum Beispiel, die Vertreterin der tibetischen Exilregierung, Österreichs Europaministerin und auch der Landeshauptmann. Ungewiss, ob die Dauerdaddler davon etwas mitbekommen haben. Vielleicht waren einige Multitasking-Talente unter ihnen. Hinterher wurde bekannt, dass mehrere Landtagsabgeordnete gefehlt haben, weil sie gerade auf Studienreise in Schleswig-Holstein waren. Ob Sie es mir glauben oder nicht, ich habe deren Abwesenheit gar nicht bemerkt. Vielleicht hat der Sarner Locher in Kiel den norddeutschen Bettenstopp für Urlaub auf dem Bauernhof studiert. Zurück in den Kursaal: Es war eine würdige Feier, welche das Haydn-Orchester und der Jugendchor mit Beethovens Europahymne auf grandiose Art und Weise beendeten. Der Moderator wählte für seine Ansage die Worte „Seid umschlungen, Millionen“ aus Friedrich Schillers „Ode an die Freude“. Da macht man sich schon Gedanken, ob man das Ergebnis von 50 Jahren Autonomie im beschaulich-bescheidenen Südtirol in drei Worten zusammenfassen kann. Aber egal, es hat sowieso kaum jemand zugehört.