Der äthiopische Mantel
Lesezeit: 4 minIm Herbst 2021 von Eva Pföstl
Noch bis zum 6. November ist in der Villa Freischütz in Meran-Obermais die Ausstellung „Der äthiopische Mantel“ zu sehen. Die Ausstellung greift die Debatte um die Rückgabe von kolonialen Museumsobjekten auf. Gerade ist der Podcast, der begleitend zur Ausstellung erscheint, mit dem DigAMus-Award 2021 ausgezeichnet worden. Der Preis würdigt die besten digitalen Projekte in Museen des deutschsprachigen Raums. Der Meraner Stadtanzeiger sprach mit den Projektverantwortlichen Ariane Karbe und Hannes Obermair.
MS: Erst einmal herzlichen Glückwunsch! Die Villa Freischütz hat einen wichtigen Museums-Preis nach Südtirol geholt!
Ariane Karbe: Vielen Dank! Wir freuen uns wahnsinnig über diese Auszeichnung. Zum einen, weil das für die Villa Freischütz der erste Podcast ist und auch für mich persönlich ein großes Experiment war. Zum anderen, weil der Preis den Themen Restitution und Dekolonialisierung zu noch größerer Sichtbarkeit verhilft. Das ist eines der wichtigsten Anliegen unseres Projektes.
MS: Die Villa Freischütz widmet sich als erstes Museum in Südtirol dem Thema Kolonialismus. Was bewegte Sie dazu?
Hannes Obermair: Das Thema Kolonialismus ist in Italien noch immer relativ unbeachtet. Es gibt zwar auch in Italien einige wenige Projekte wie beispielsweise „Postcolonial Italy“, das digital aufzeigt, wie viele Orte hier noch immer positiv an die koloniale Vergangenheit erinnern, aber in der Kulturlandschaft und im öffentlichen Diskurs ist das Thema noch längst nicht angekommen. Das ist in Frankreich oder Deutschland ganz anders. Hier wollen wir zu einer Veränderung beitragen.
MS: Warum ist Ihnen das wichtig?
Hannes Obermair: Weil Kolonialismus auch aktuelle Themen stark berührt. Gerade wird zum Beispiel der Zusammenhang von Kolonialismus und Klimawandel diskutiert. Vor allem aber berührt es die Frage, wie rassistisch unsere Gesellschaft ist und wie wir uns als Einzelne gegenüber Menschen verhalten, die wir als fremd wahrnehmen. Um Denkmuster und Stereotype aufzudecken, ist es hilfreich, sich anzuschauen, wo diese herkommen.
Ariane Karbe: Das Thema ist auch eine Chance, unsere Arbeit als Museum zu reflektieren. Die Diskussion über die mögliche Rückgabe von Objekten an die Herkunftsgesellschaften rührt an die Grundfesten der Museumsarbeit. Traditionellerweise geben Museen Gegenstände, die sie besitzen, nicht wieder her. Jetzt geraten die Sammlungen in Bewegung und damit auch, was die Aufgaben von Museen sein können und sollen.
MS: Es geht in Ausstellung und Podcast um ein einziges Objekt, eben den äthiopischen Mantel. Ein Ziel war herauszufinden, wie das Prunkgewand überhaupt in die Sammlung der Villa Freischütz gelangt ist. Konnten Sie das Ziel erreichen?
Hannes Obermair: Inzwischen können wir mit Sicherheit sagen, dass das Prunkgewand von General Enea Navarini 1938 aus dem Abessinienkrieg mit nach Meran gebracht wurde. Allerdings konnten wir bislang nicht herausfinden, wie genau Navarini in den Besitz des Mantels gekommen ist. Am wahrscheinlichsten ist, dass er ihn von abessinischen Verbündeten überreicht bekommen hat. Denn solche prächtig bestickten Umhänge wurden dort traditionellerweise an verdiente Krieger verliehen, als eine Art Orden.
Ariane Karbe: Die Frage, die uns bewegt, und die wir provokativ aufwerfen, ist, was bedeutet das? Selbst wenn es ein Geschenk gewesen ist, hat die Übergabe in einem Unrechtskontext stattgefunden, denn Italien hat gegen Abessinien einen völkerrechtswidrigen, faschistisch motivierten Aggressionskrieg geführt.