Sepp Reiterer – der Sektpionier
Im Frühling 2016 von Helmuth Tschigg
Auf der Suche nach Unternehmen mit Courage und Weitblick sind wir auf die Sektkellerei „Arunda“ in Mölten gestoßen und haben ein ausführliches Gespräch mit dem Gründer des Betriebes, Sepp Reiterer, geführt:
Meraner Stadtanzeiger: Hat man in den 70er-Jahren in Südtirol nicht hauptsächlich den Frizzante getrunken?
Sepp Reiterer: Zur damaligen Zeit war bei den Gästen hauptsächlich deutscher Sekt bekannt. Die Kenner tranken Champagner, aber auch der Asti Spumante war beliebt. Das war das gängige Getränk.
MS: Warst du damals der Erste in Südtirol, der die Idee hatte, Sekt zu erzeugen?
Sepp Reiterer: Mitte der 70er-Jahre hat der Ochsenreiter Luis von der Haderburg mit der Flaschengärung angefangen. Wir kamen ein Jahr später dazu. Es war dann bald eine Gruppe von 3 bis 4 Produzenten, die versuchten, die einheimischen guten Grundweine zu veredeln und daraus Flaschengärsekt zu machen. Bereits anfangs der 70er-Jahre experimentierte der Kellermeister der Kellerei Terlan, Sebastian Stocker, mit der „Originalen Flaschengärung“, damals noch mit der Bezeichnung „Méthode champenoise“. Er brachte die zündende Idee, dieses Verfahren auch in Südtirol anzuwenden.
MS: Waren die billigen Frizzanti nicht immer eine starke Konkurrenz für euch?
Sepp Reiterer: Damals war es für uns schon schwierig, denn wir waren ja absolute Missionare. Wir mussten erst unsere Südtiroler davon überzeugen, dass man aus den Südtiroler Weißweinen, aus Chardonnay, Weißburgunder und Blauburgunder einen guten Flaschengärsekt machen kann. Wir taten uns äußerst schwer, die Gastronomie davon zu überzeugen, denn die Leute glaubten, dass das, was von außen kommt, immer besser ist.
MS: Speziell der Champagner?
Sepp Reiterer: Speziell der Champagner, das ist in Ordnung. Das ist auch heute noch ein Spitzenprodukt, größtenteils, …nicht immer. Es war schon bekannt, dass man in Südtirol guten Weißwein trinkt, aber es war nicht bekannt, dass man auch guten Flaschengärsekt trinken kann.
MS: Braucht der Flaschengärsekt gute Grundweine?
Sepp Reiterer: Ja, und da ist Südtirol prädestiniert, weil wir wirklich ausgereifte Grundweine haben, mit dem richtigen Alkohol, mit richtigem Säuregehalt und dem richtigen Körper. So können wir dann ein insgesamt ausgewogenes Produkt erzeugen.
MS: War die Höhenlage deiner Kellerei hier in Mölten beabsichtigt?
Sepp Reiterer: Für die exponierte Höhenlage habe ich mich deshalb entschieden, weil ich ein originaler Möltner bin. Ich habe in der Welt draußen, vor allem in Mailand, gearbeitet. Aber ich bin ein Bergmensch und den zieht es eben wieder in die Heimat zurück. Da habe ich versucht, einen Betrieb aufzubauen, aber nicht für Stillwein. Da wäre ich wahrscheinlich die 150ste Kellerei gewesen. Deshalb nahm ich mir vor, das Grundprodukt weiterzuverarbeiten. Da kamen nur mehr die Edeldestillate oder die Flaschengärproduktion in Frage. Meine Frau tendierte für das zweite, denn sie hat schon immer gerne guten Champagner getrunken; so ist es uns leicht gefallen, uns diesem Sektor zu widmen.
MS: Habt ihr vorausbedacht, dass diese Nische noch unbesetzt ist?
Sepp Reiterer: Die Nische war zwar unbesetzt, aber unsere Gruppe war viel mehr als Missionare tätig, um die einheimische Bevölkerung, die Sommeliers, die bewussten Trinker, die Gastronomen und die lieben Gäste zu überzeugen, dass man in Südtirol einen guten Flaschengärsekt produzieren kann.
MS: Hat der gute Ruf der Südtiroler Weine auch zum Image eures Sektes beigetragen?
Sepp Reiterer: Das kann man bejahen. Die guten Weißweine Südtirols und auch der Blauburgunder, wenn er in Weiß verarbeitet wird, sind prädestinierte Grundweine und gut geeignet, um hervorragende Sektqualitäten zu erreichen.
MS: Wie wird ein Prosecco-Schaumwein gemacht, der heute große Mode ist?
Sepp Reiterer: Da ist erstens der Gärbehälter nicht 0,75 Liter groß, sondern umfasst 20.000 Liter. Die Traube Gliera ist die Rebsorte für den Prosecco. Wenn diese in den Südhängen der Alpen, im Raum Val Dobbiane, Conegliano und Treviso angepflanzt wird, und nicht mehr als 120 Doppelzentner Ertrag pro ha hat, dann kann daraus ein guter Prosecco werden. Leider ist das Anbaugebiet bis in die Tallagen des Po hinein ausgedehnt worden, wo dann eine andere Qualität entsteht und die Feinheiten der Rebsorte nicht mehr gegeben sind.
MS: Ist die Herstellung von Flaschengärsekt vollkommen anders als beim Prosecco?
Sepp Reiterer: Der Arbeitsablauf im Telegrammstil ist folgender: Wir ernten den Chardonnay, den Weißburgunder und Blauburgunder in dem Moment, wo er die richtige Reife, einen guten Zuckergehalt und die ideale Säure für uns hat. Das ist so acht Tage vor der normalen Ernte. Daraus wird Wein gekeltert.
MS: Wer macht das?
Sepp Reiterer: Das machen Weinbauern und Kellereigenossenschaften für uns, teilweise tun wir es selbst. Wenn der Wein dann die richtige Qualität für einen idealen Sektgrundwein erreicht hat, können wir ihn hier weiterverarbeiten. In den sogenannten Stillwein muss wieder Leben hineinkommen und zwar durch das weltweit bekannte Verfahren der Champagnerproduktion. Wir dürfen ganz legal bis zu 20 g Zucker pro Liter zusetzen und diesen über die Hefe in der Flasche zur Gärung bringen. Dabei bleibt die entstehende Kohlensäure in der Flasche eingesperrt.
MS: Im Unterschied zum Schaumwein Prosecco, bei dem diese Nachgärung im Stahltank erfolgt?
Sepp Reiterer: Ja, und dieser Tank fasst dann 20.000 Liter.
MS.: Bei der Gärung in der Flasche entstehen aber Rückstände.
Sepp Reiterer: Ja, das sind Trübstoffe. Wenn die Hefe den Zucker umsetzt, vermehrt sie sich enorm und wenn sie nach 5 bis 6 Monaten damit fertig ist, setzt sie sich inaktiv als Depot ab.