Wer liest, lebt länger
Im Frühling 2016 von Dr. Luis Fuchs
„Wer nicht liest, wird mit 70 Jahren ein einziges Leben gelebt haben. Wer liest, wird 5.000 Jahre gelebt haben. Das Lesen ist eine rückwärts gelebte Unsterblichkeit.“ Der jüngst verstorbene Schriftsteller und Philosoph Umberto Eco gibt uns mit dieser Aussage ganz einfach zu verstehen: Wer liest, hat mehr vom Leben.
Die Schrift ermöglicht uns, die Zeiten zu überbrücken, sie macht uns die Gedankenwelten ferner Generationen zugänglich. Hätte Homer sein Epos nicht in Schriftzeichen festgehalten, wüssten wir heute nichts von den abenteuerlichen Irrfahrten des Odysseus, dem die Idee des trojanischen Pferdes zugeschrieben wird. Ist es nicht eigenartig, dass wir uns Jahrtausende danach immer noch mit den Trojanern herumschlagen?
Den Büchern verdanken wir die ersten Informationen über ferne Länder und vergangene Epochen, in deren Geheimnisse wir durch Werke wie „Götter, Gräber und Gelehrte“ eingeweiht wurden. In seinen Reiseberichten öffnete uns der Venezianer Marco Polo den geografischen Horizont bis hin ins ferne China. Wie viele Künstler haben sich etwa von Dantes „Divina Commedia“ zu Darstellungen infernalischer Gräuelszenarien inspirieren lassen? Nicht wo er sich gerade befindet, hält sich der Lesende auf, sondern dort, wo er im Buch unterwegs ist. Nicht von ungefähr werben Bibliotheken um Leser mit dem Motto: „Lesen ist Kino im Kopf.“
Wer allerdings nicht lesen kann, dem ist der Zugang zu den großartigen Werken menschlichen Kulturschaffens verschlossen. Auf der Erde leben – Berichten der UNESCO zufolge – rund eine Milliarde Analphabeten; selbst in Deutschland können 300.000 Menschen nicht einmal einzelne Wörter entziffern, wie eine Studie festgestellt hat. Wer nie lesen und schreiben gelernt hat, weil er nie zur Schule gegangen ist, wird der Kategorie „primärer Analphabetismus“ zugerechnet; dies trifft für viele Kinder aus Entwicklungsländern zu. Als „funktionale Analphabeten“ werden Menschen bezeichnet, die zwar Buchstaben erkennen und ein paar Wörter schreiben können, die aber den Sinn eines Textes gar nicht oder nur mit Mühe verstehen.