Trinkgeld zu Gunsten des Fiskus?
Im Herbst 2021 von Mirko Oliva
Trinkgeld ist ein Teil des Einkommens des Empfängers – das bestreitet niemand. Gerade im Gastgewerbe steigert Trinkgeld die Attraktivität eines Jobs – nicht nur in Italien. Doch muss Trinkgeld auch versteuert werden? In meiner 13-jährigen Berufslaufbahn habe ich noch nie erlebt, dass jemand Trinkgeld in seiner Steuererklärung als Einkommen deklariert hat. Vor kurzem jedoch hat sich der römische Kassationsgerichtshof mit diesem Thema beschäftigt. Konkret wurde der Fall eines Mitarbeiters eines 5-Sterne-Hotels an der Costa Smeralda in Sardinien behandelt, der in den Jahren 2005–2007 (!) jährlich Trinkgelder von rund 80.000 Euro erhalten und nicht besteuert hat.
Der betroffene Arbeitnehmer argumentierte, dass Trinkgeld nicht mit Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis gleichgesetzt werden kann, weil die Summen nicht vom Arbeitgeber bezahlt werden und kein Rechtsanspruch darauf besteht. Es handelt sich hingegen um freiwillige Zuwendung (also Schenkungen), die allgemein üblich und von geringem Wert sind und somit weder der Einkommenssteuer noch der Schenkungssteuer unterliegen. Die Agentur der Einnahmen hingegen argumentierte, dass nicht nur die direkt vom Arbeitgeber gezahlten Vergütungen als Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit zu versteuern sind, sondern alle Gelder und Sachwerte, die in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis kassiert werden. Das Kassationsgericht gab der Agentur der Einnahmen recht.
Das Höchstgericht ist der Auffassung, dass das italienische Steuerrecht eine sehr weite Definition von Arbeitseinkommen vorsieht, sodass die von der Agentur der Einnahmen vorgebrachte Lösung korrekt ist. Die Tatsache, dass die Gelder von Dritten stammen und freiwillig gezahlt werden, ist unerheblich. Nicht eingegangen wurde auf die Thematik, ob die Trinkgelder auch den Sozialabgaben unterliegen und wer diese einzahlen soll, da diese bei einem Angestellten immer vollständig vom Arbeitgeber eingezahlt werden (auch für den Teil zu Lasten des Arbeitnehmers).