Vom alltäglichen Umgang der Tiroler mit den Heiligen
Teil 1
Im Herbst 2021 von Waltraud Holzner
Zugegeben, um die Heiligen ist es leiser geworden. Sie haben sich in die Nischen der Kirchen zurückgezogen und bis zu den nächsten Katastrophenzeiten genießen sie, da von ihnen keine allzu großen Anstrengungen verlangt werden, die himmlische Herrlichkeit.
Heute verlassen sich die meisten Menschen auf die Hilfsmittel der modernen Wissenschaft, aber noch bis vor wenigen Jahrzehnten war in Südtirol für alle körperlichen, seelischen und wirtschaftlichen Probleme ein bestimmter Heiliger zuständig, der bei Bedarf angerufen und dem für die Lösung des Problems ein angemessener Preis angeboten wurde. Der Bittsteller musste die innere Gewissheit haben, seine Gegenleistung, zum Beispiel Kerzen in verschiedener Anzahl und Größe, Rosenkranzgebete, Bußübungen und Wallfahrten großzügig bemessen zu haben, dann war er sich mit dem Heiligen handelseinig.
Heiliger Antonius,
wir machen an Handl:
I bet dir an Rosenkranz,
du schickst mir a Mandl!
Die Heiligen waren auf geheimnisvolle Weise zwar unsichtbar, doch spürbar zugegen. Der Feiertag des jeweiligen Heiligen bestimmte die Termine der Landbevölkerung. Der liebe Gott war natürlich die oberste Instanz. Aber mit den Engeln und Heiligen, allen voran der heiligen Maria, sicherte sich das mit Mühsal beladene Menschengeschlecht Verbündete, die überdies dem überlasteten Herrgott einiges an Kleinarbeit abnehmen konnten. Mittlerweile ist der Glanz der Heiligenscheine verblasst. Es gibt aber noch Menschen, die auf die Hilfe der Heiligen vertrauen. Im Folgenden soll von den Heiligen die Rede sein, die bereit sind, einen Tiroler von der Wiege bis zur Himmelspforte zu begleiten. Ihre Identifikation auf bildlichen Darstellungen fällt meist nicht schwer, denn sie sind durch sinnige Attribute gekennzeichnet.
Mit dem Advent, der Zeit des Wartens auf die Ankunft des Erlösers, fängt das Kirchenjahr an. Am 4. Dezember ist die hl. Barbara, Patronin der Bergknappen und Artilleristen und Helferin für eine gute Sterbestunde zur Stelle. Sie ist gewöhnlich mit dem Turm, in den sie zu Lebzeiten eingesperrt wurde, abgebildet. An ihrem Namenstag werden Zweige ins Zimmer gestellt, die zu Weihnachten blühen sollen. Die älteren Leute in Tirol kennen noch folgendes Gebet:
Heilige Barbara, du edle Braut,
Seel und Leib ist dir anvertraut.
Schütze mich in jeder Not,
bewahre mich vor gachem Tod!