Der Goldschmied Hans Tischler
Von der Leidenschaft zum Schönen
Im Herbst 2021 von Eva Pföstl
Hans Tischler eröffnete am 3. April 1971 sein Geschäft in der Leonardo-da-Vinci-Straße (ehemalige Postgasse) und war bis zur Schließung des Geschäftes Ende 2020 aus der Schmuckszene in Meran nicht wegzudenken. Zusammen mit Toni Frühauf, Walter Erckert und Willy Wiemann und dessen Sohn Lukas zählt er zu den großen Schmuckkünstlern, die Meran hervorgebracht hat.
Hans Tischler ist mit seinen 8 Geschwistern in Meran aufgewachsen. Eigentlich wollte er Koch oder Konditor werden, aber seine Lehrerin, Frau Donà, erkannte sein handwerkliches Talent und ermunterte ihn, sich als Goldschmied bei Anton Frühauf zu bewerben. Von sechs Anwärtern wurde er auserwählt. Ordentliche Kleider hatte er keine, bekam zum Glück jedoch von Frau Tichatschek einen Anzug geschenkt und so konnte er ab 1961 zum ersten Mal Goldschmied-Luft schnuppern – zunächst als Lehrling, dann als Mitarbeiter bei Anton Frühauf. „Meine Lehrjahre waren keine Herrenjahre“, erinnert er sich, „oft bin ich morgens um 5 Uhr aufgestanden und nach drei Monaten erhielt ich als Lohn eine 500-Lire-Münze in die Hand gedrückt“.
Von 1968 bis 1970 besuchte er die traditionsreiche Goldschmiedeschule in Pforzheim. Von dort brachte Hans Tischler neben dem Meisterbrief auch etwas anderes mit nach Hause: seinen unverkennbaren Stil. „In der Lehrzeit mussten wir auch praktische Übungen machen. Meine Kollegen, fast ausschließlich Juwelierssöhne, verwendeten Gold dafür. Ich konnte mir das nicht leisten und nahm Silber. Doch das sah arm und matt aus. Da habe ich mir hie und da ein Stückchen Gold geleistet, um etwas Wärme in meine Arbeiten zu bringen”, erzählt er lächelnd. Die Kombination der beiden Edelmetalle erwies sich als gelungen, und so begann Hans Tischler seine Stücke aus Gold und Silber zu schmieden – etwas, das er lebenslang beibehalten hat und seinen besonderen Stil prägte.
1970 eröffnete er sein eigenes Geschäft mit Werkstatt in Meran. Zuerst in der ehemaligen Rossmetzgerei, im Durchgang, wo sich heute das „Rössl bianco“ befindet, und dann in der Postgasse. „Meine erste Kundin war Lisi Ortner-Kikinger“, erinnert er sich und fragt sich heute noch, wie sie und ihre Freundin Werngard ihn damals im schmalen Durchgang gefunden haben. In seinem Betrieb engagierte sich voller Herzblut auch seine Schwester Rosemarie – ihre dekorativ gestalteten Schaufenster waren immer ein Hingucker für Meraner und Touristen – und Tischlers Ruf als außergewöhnlicher Schmuckkünstler verbreitete sich rasch. 1971 gewann er auf der internationalen Handwerksmesse in München die Goldmedaille. 1981 gestalte er – anlässlich der Schach-WM in Meran – ein Schachbrett aus Gold und Silber, mit Edelsteinen geschickt besetzt, das im selben Jahr auf der 34. Internationalen Bozner Messe mit der Goldmedaille ausgezeichnet wurde. „Das Deutsche Museum wollte es haben, aber ich habe es nie verkauft, denn dieses Schachbrett gehört nach Meran“, erklärt uns der Meister, der auch einige Lehrlinge inspiriert und ausgebildet hat. 1985 erhielt Tischler die Medaille in Platin des VII. Benvenuto Cellinbi Preises.
Es ist Tischlers persönliche Handschrift in seinen Schmuckstücken, die diese zu unverwechselbaren Klassikern der Meraner Goldschmiedekunst machen. „Jedes Stück ist ein Einzelstück”, betont er, „selbst entworfen und handgemacht.” Oft ist es die Form des gewählten Steines, die ihn zu einer besonderen Kreation verleitet. „Manchmal wollte ich mit einem Stück die Leute einfach schockieren, mit Totenköpfen, Särgen und Friedhöfen”, erklärt er. Ungern fügte sich Hans Tischler den Bestellungen der Kunden. Am liebsten ging er seinen Emotionen nach. Inspirationen holte sich der Künstler von überallher, besonders von Opern und klassischer Musik und auch seine Gemütsstimmung oder ein geschichtliches Ereignis dienten ihm als Muse. Viele seiner Schmuckstücke und Kleinodien bezeichnet Tischler auch als „Akte der Compassio“, des Mitleidens. So sein Kleinod, mit dem er 2015 an die Opfer des Bataclans in Paris erinnert. Auch für
Ayrton Senna, den Rennfahrer, der 1994 tödlich verunglückte, schaffte er ein Schmuckmemorial. Eine Brosche hat er 1978 nach der Ermordung von Aldo Moro erschaffen. Acht Rubine – Moro wurde mit 8 Schüssen niedergestreckt – besetzten den Körper, ein Rubin ist das große Herz und ein Rubin hängt als Blutstropfen herab. Mit dieser Brosche würdigte Tischler nicht nur den großen italienischen Staatsmann, sondern auch die Rolle, die Moro in Zusammenhang mit dem Südtirolpaket hatte.
Tischlers Hang zu Schwermütigkeit und Melancholie spiegelt sich auch in seiner Vorliebe für klassische Musik wider – er besitzt eine riesige Schallplattensammlung und besonders die Opernsängerin Maria Callas, bekannt für ihre schmerzliche Stimme, hat es ihm angetan. Kein Wunder also, dass er 1987, zum 10-jährigen Gedenken an ihren Todestag, eine Plakette schuf.