Grundstücksgrenzen und Nachbarschaftsstreitigkeiten
Im Winter 2014 von Dr. Silvia Paler
Wie viele von uns kennen das Problem der Ungewissheit einer Grenze zwischen zwei Grundstücken.
Oft ergibt sich der Fall, dass mehrere Generationen von benachbarten Grundstücksbesitzern eine tatsächliche Grenze annehmen und als solche akzeptieren, die auf dem Papier, d.h. auf der Katastermappe, aber nicht der eingezeichneten Grenze entspricht. In solchen Situationen kommt es insbesondere häufig vor, dass die tatsächliche, so genannte natürliche Grenze - vor allem solange das Nachbarschaftsverhältnis gut ist - nicht eingetragen wird, mit der Folge, dass es aber bei einer Verschlechterung der persönlichen Verhältnisse der Nachbarn, z.B. durch eine Vererbung an die nächste Generation, nicht selten zu Auseinandersetzungen kommt, weil einer sich an die natürliche Grenze, der andere hingegen an die Mappengrenze halten will.
Wer hat aber nun recht und vor allem: wer kann sein Recht, wenn es drauf ankommt, tatsächlich durchsetzen und sich vor dem Richter behaupten? Leider keine einfache Sache. Eine natürliche Grenze, die von jener der Katastermappe abweicht, muss durch entsprechende örtliche und landschaftliche Begebenheiten für jeden ersichtlich gekennzeichnet sein, wie z.B. durch etwaige Grenzsteine, durch eine über lange Zeit eingehaltene Art der Bebauung, durch Zäune, Wege, Bäume oder Ähnliches. Laut italienischem Zivilgesetzbuch kann eine unsichere Grenze gerichtlich festgestellt werden, wobei dafür jedes Beweismittel zulässig ist. Nur in Ermangelung andere Anhaltspunkte, hat sich das Gericht an die Katastergrenze zu halten (Art. 950 ZGB).
Das bedeutet, dass der Eigentümer den Grenzverlauf mit jedem Mittel beweisen kann, z.B. auch durch etwaige Zeugenaussagen und dass der Richter sich an die angebotenen Beweise halten muss, wenn sie für die Bestimmung der Grenze ausreichend sind. Nur im Ausnahmefall kann der Richter hingegen die Katastermappen als Grundlage für die Festlegung der Grenze heranziehen.