„Die Politik kann sich an der Bevölkerung ein Beispiel nehmen“
Im Winter 2022 von Philipp Rossi
Am 24. Oktober 2021 wählten die Meraner Dario Dal Medico zu ihrem neuen Bürgermeister. Im Gespräch mit dem Meraner Stadtanzeiger erzählt der 53-jährige Rechtsanwalt, der bis dahin kein politisches Amt bekleidete, über seine ersten Monate als Bürgermeister der Passerstadt, seine Visionen zur Stadtentwicklung sowie seine Strategie, um die Hauptprobleme Merans – allen voran das leidige Thema Verkehr – zu lösen.
Meraner Stadtanzeiger (MS): Herr Bürgermeister Dal Medico, seit fast drei Monaten sind Sie nun Bürgermeister von Meran. Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz aus?
Dario Dal Medico: Es ist eine sehr anstrengende Zeit, aber wir haben viel getan, auch weil ich auf die gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Gemeinde zählen kann. Die Verwaltung braucht eine politische Antwort auf die Probleme der Stadt. Überrascht hat mich die viele Zeit, die ich jeden Tag in meinem Büro im Rathaus verbringe.
MS: Welche Maßnahmen Ihres Wahlprogrammes konnten Sie in dieser kurzen Zeit bereits umsetzen?
Dario Dal Medico: Zum einen haben wir das Grundwasserproblem in Sinich angegangen, es gab bereits einige Treffen, um einen Zeitplan der Eingriffe und die Prioritäten zu definieren. Weitere Themen betreffen die Abfallentsorgung, den sozialen Bereich, die Kultur – in der Planungsphase befinden sich derzeit etwa die Umbauarbeiten des Stadttheaters.
MS: Auch nach Baubeginn der Nord-West-Umfahrung bleibt das Thema Verkehr in Meran hochaktuell. Was soll mit dem vom Bozner Verwaltungsgericht aufgehobenen Verkehrsplan geschehen und welche Eckpunkte sieht Ihr Verkehrskonzept für die Passerstadt vor?
Dario Dal Medico: Es gilt, einen neuen Verkehrsplan zu erstellen, an dem Vize-BM Zeller derzeit arbeitet. Die Nord-West-Umfahrung, die 2025/26 eröffnet wird, wird unsere Verkehrsprobleme zum Teil lösen, es handelt sich aber nicht um die einzige Lösung. Der Verkehr in Meran soll insgesamt flüssiger werden. Das Ziel besteht zwar darin, dass die Autos von den Straßen verschwinden sollen, allerdings erst dann, wenn genügend unterirdische Parkmöglichkeiten vorhanden sind. Bis dahin sollen Parkplätze erhalten bleiben. Wir werden einen Fachtechniker damit beauftragen, ein Lösungskonzept vorzulegen, und ihm dabei gleichzeitig bestimmte Richtlinien und Ziele vorgeben.
MS: Zur Lösung des Verkehrsproblems soll auch das neue Mobilitätszentrum am Bahnhof beitragen. Wie soll das neue Bahnhofsareal aussehen?
Dario Dal Medico: Die Gemeinde hat bereits ein Konzept erarbeitet, um das gesamte Bahnhofsareal neu zu gestalten. Vorgesehen sind unterirdische Parkplätze, während der Busbahnhof auf den Prader-Platz verlegt wird, wo auch ein Gebäude entstehen soll, in dessen Obergeschoss ein geschlossener Markt Platz finden wird. Das Andreas-Hofer-Denkmal wird natürlich beibehalten, allerdings wird der Platz rundum neu gestaltet. Davon ausgehend soll die Meinhardstraße bis zum Kornplatz umgestaltet werden, die als neuer „Eingang“ ins Stadtzentrum fungieren soll. Auf diese Weise wird der ursprüngliche Zustand der Straße wieder hergestellt.
MS: Seit Jahren besteht schon die Vorstellung einer Übernahme des Kasernenareals durch die Stadt. Wird sich dieser Wunsch der Stadtpolitik bewahrheiten? Und, wenn ja, zu welchem Preis, zumal LH Kompatscher kürzlich angedeutet hat, dass die Gemeinde diese Fläche nicht umsonst erhalten soll?
Dario Dal Medico: Vor ungefähr einem Monat fand bereits ein Gespräch mit der Militärverwaltung statt, die bereit wäre, mindestens einen Teil des Areals bereits jetzt der Stadt zu übergeben. Allerdings gestaltet sich die bürokratische Abwicklung komplex.
MS: Was soll auf der 30 Hektar großen Fläche entstehen?
Dario Dal Medico: Konkrete Pläne bestehen noch nicht. Ich wünsche mir etwas Spezielles und Nachhaltiges für das Areal. Wir sollen mit der Bevölkerung darüber reden. Wohnmöglichkeiten – auch geförderter Wohnbau für junge und ältere Menschen – sollen zwar Platz finden, allerdings ist eine reine Erweiterung von Wohngebieten nicht erstrebenswert. Sport- und Kulturmöglichkeiten, aber auch Angebote für die Betriebe der nahe gelegenen Handwerkerzone sollen ebenso vorhanden sein.
MS: Soll es auf dem Kasernenareal folglich auch Platz geben, damit sich Unternehmen ansiedeln?
Dario Dal Medico: Ja. Wenn wir innovative, internationale Unternehmen ansprechen, kann gleichzeitig auch ein Forschungszentrum entstehen. Auf diese Weise kann Meran auch hochqualifizierte Arbeitskräfte gewinnen. Wir sollen grundsätzlich im Großen denken, nicht nur an kleine Notwendigkeiten. Solche Unternehmen bedeuten auch eine wirtschaftliche und kulturelle Aufwertung für unsere Stadt.
MS: Eine andere Infrastruktur, deren Zukunft womöglich vom Land abhängt, ist der Pferderennplatz. Steigt nun das Land ein oder verbleibt die Anlage zur Gänze bei der Gemeinde?
Dario Dal Medico: Ich hoffe, dass das Land in das Projekt einsteigt und ich werde dies mit dem LH demnächst besprechen. Der Pferderennplatz ist ein Stück von Meran, im Verwaltungsrat soll die Stadt weiterhin über die Mehrheit verfügen.
MS: Wie soll die Anlage genutzt werden?
Dario Dal Medico: Bis 2030 besteht ein Vertrag mit der Gesellschaft Merano Galoppo, die die Anlage betreibt. Der Pferderennplatz soll zwar weiterhin als solcher genutzt werden, allerdings soll er sich mehr gegenüber der Bevölkerung öffnen. So stehen beispielsweise die Arbeiten für den „Business-Incubator“ vor dem Abschluss. Innerhalb dieses Jahres sollen die Räumlichkeiten dann den Unternehmen zur Verfügung stehen. Für dieses Projekt kann die Stadt auch auf Fördermittel der EU zurückgreifen.
MS: Die Bonifizierung des Solland-Silicon-Areals in Sinich schreitet voran. Wie soll die Zukunft des vormaligen Industriegeländes aussehen?
Dario Dal Medico: Zurzeit sind mehrere Projekte im Gespräch. Einige Unternehmen haben ihr Interesse für das Areal bekundet. Jedoch gehört der Grund nicht der Gemeinde, sondern einem Privateigentümer.
MS: An der Solland-Silicon-Geschichte wird auch das Spannungsverhältnis zwischen einer Industrie- und einer Tourismusstadt Meran spürbar. Welche Vorstellung haben Sie zur touristischen Entwicklung unserer Stadt?
Dario Dal Medico: Es gab einige Treffen zum Thema Stadtentwicklung, an denen auch Vize-BM Zeller teilgenommen hat. Gleichzeitig stehen wir kurz davor, das seit langer Zeit bestehende Abkommen zwischen der Gemeinde und der Kurverwaltung zu erneuern. Mit ihr werden wir ein neues Konzept gestalten, um Meran auf dem touristischen Markt neu zu positionieren. Es soll ein nachhaltiger Tourismus sein, der von einem neuen Luxus geprägt ist – nicht vom finanziellen Luxus, sondern von der Zeit, die wir im Freien und in der Natur genießen. Wir wollen Meran eine bestimmte Identität verleihen, sodass es sich von den umliegenden Dörfern unterscheiden kann.