Regeln und Respekt, habt ihr euch versteckt?
Im Frühling 2017 von Christiane Ladurner
Auf meinem Heimweg klingelt es plötzlich hinter mir: Drin, drin! Erschrocken springe ich zur Seite. Ein Radfahrer überholt mich auf dem Gehsteig. Kein Kind, sondern ein Erwachsener zischt an mir und anderen Fußgängern flott vorbei.
Solche Szenen kann man jeden Tag erleben. Die Regelverstöße im Straßenverkehr beschränken sich nicht nur auf viele Radfahrer, auch etliche Fußgänger scheinen elementare Regeln irgendwie vergessen zu haben. Solche Menschen sind keine Vorbilder für andere und vor allem keine für unsere Kinder, die ja bekanntlich durch Nachahmen lernen. Nicht gerade vorbildlich ist es, wenn man bei Rot die Straße überquert oder den Zebrastreifen ignoriert. Es ist eine Unart, Glimmstängel und Kaugummis auf den Boden zu werfen oder den eigenen Dreck in irgendeinen müllähnlichen Behälter zu stopfen (siehe Foto). Das alles ist doch Ausdruck mangelnder Achtung vor sich selbst, der Gemeinschaft und der Umwelt. An Regelbewusstsein, Verantwortungsgefühl, Respekt und grundlegenden Umgangsformen mangelt es immer mehr: Begrüßen und Verabschieden, Bitte- und Dankesagen sind fast schon Luxus.
Regeln sind wichtig: Sie sind Wegweiser für das Leben des Einzelnen und fördern das gute Zusammenleben in der Gruppe. Gäbe es keine Verkehrsregeln, Klassenregeln, Spielregeln u.s.w., es würde Chaos herrschen. Das lateinische Wort regula bedeutet Maßstab oder Richtschnur. Regeln geben also Orientierung und Ordnung. Von unzähligen Regeln sind viele unerlässlich. Wie können Normen und Werte in unserer Gesellschaft überleben, an die Kinder weitergegeben werden, wenn viele Eltern diese zusehends missachten? Ihren Erziehungsauftrag geben sie immer mehr an andere Institutionen ab: Man hat keine Zeit, keine Lust und Kraft Kinder zurechtzuweisen und Regeln einzufordern. Viele Leute ver-ziehen ihre Sprösslinge, anstatt sie zu er-ziehen. Kindern müssen einerseits Grenzen aufgezeigt, andererseits Struktur, Orientierung und Halt gegeben werden. Dazu gehört auch ein unmissverständliches Nein. Erwachsene müssen als Beispiel vorangehen. Manche sagen: „Isch jo gleich, wert er schun nou lernen“. Aber dem ist nicht so, denn: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!
Alle Kulturen und Religionen haben Regeln. Die bekanntesten sind die Zehn Gebote des Mose im Alten Testament. Das Einhalten dieser Grundregeln lässt das menschliche Zusammenleben gelingen und garantiert Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden für alle. Bekannt ist auch die „Goldene Regel“: Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten (Mt 7,12). Ähnliche Aussagen finden wir nicht nur im Neuen Testament, sondern auch in den anderen Weltreligionen. Die Wertschätzung des Einzelnen beginnt also beim täglichen Einhalten elementarer Regeln. Dies garantiert ein respektvolles und friedliches Miteinander.