Wenn Trojaner auf der Lauer sind
Im Sommer 2020 von Dr. Luis Fuchs
Neuerdings wird uns empfohlen, die „Immuni“-App aufs Smartphone zu laden. Sie soll uns helfen, die Infektionsketten frühzeitig zu erkennen und somit einer neuerlichen Ausbreitung des Coronavirus vorzubeugen. Diese Gelegenheit nutzen Hacker aus, um schädliche „Trojaner“ einzuschleusen und das Gerät zu blockieren. Die Postpolizei rät den geschädigten Nutzern, sich nicht auf erpresserische Geldforderungen einzulassen und stattdessen Anzeige zu erstatten.
Uns stehen eine Reihe von Redewendungen und Wörtern zur Verfügung, die ihren Weg aus der antiken Mythologie in unseren Wortschatz gefunden haben. Das „Trojanische Pferd“ hat sich uns als vertrautes Motiv aus Homers „Ilias“ ins Gedächtnis eingeprägt. Besonders tückische Computerviren werden durchwegs als „Trojaner“ bezeichnet, was eine äußerst misslungene Verkürzung darstellt. Die Trojaner waren schlussendlich ja selbst die Leidtragenden des Pferdes, in dem sich die Griechen bis zu den Zähnen bewaffnet versteckt hatten. Werden wir Opfer eines solchen Computervirus, könnten wir uns selbst als geschädigte Trojaner bezeichnen, denn die Täter waren ja Griechen.
Warnungen vor drohender Gefahr, die aber nicht beachtet werden, benennen wir auch „Kassandrarufe“. Um den Fall der Stadt Troja spielt die Königstochter Kassandra eine tragische Rolle. Sie war vom Gott Apollo in der Kunst der Weissagung geschult; sie prophezeite die Zukunft immer richtig, fand aber nie Gehör und konnte das kommende Unheil nicht abwenden.
Durch Homers „Odyssee“ sind die Ungeheuer Szylla und Charybdis am Seeweg durch die Straße von Messina zu sprichwörtlicher Bedeutung gelangt. Die Argonauten mussten zwischen einer steilen und gefährlichen Klippe und dem gegenüberliegenden Meeresstrudel hindurch navigieren. Nach der „acqua alta“ im November und dem Stillstand durch die Pandemie muss Venedig einen Kurs zwischen der Szylla einer Tourismus-Flaute bei leeren Hotels und der Charybdis eines ausufernden Massentourismus einschlagen. Der Bürgermeister Luigi Brugnaro plädiert für einen „neuen und intelligenten Tourismus“; wie ihm „Klasse statt Masse“ gelingen soll, steht in den Sternen.